The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
Erinnerungsattacke. Ich fühlte mich, als habe mir jemand die Eingeweide herausgerissen. Kein besonders tolles Gefühl, falls es jemanden interessiert.
Ich blinzelte benommen. Über mir schwebte eine dunkle Gestalt. Ich kniff die Augen zusammen. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass da ein Wärter stand.
»Steh auf, West«, befahl er. »Du hast Besuch.«
Wieder blinzelte ich und fuhr mir mit der Zunge über die trockenen Lippen. Ich begriff kaum, was er sagte. »Besuch …?«, murmelte ich heiser. »Ist heute Samstag?«
»Steh auf!«, wiederholte er einsilbig.
Langsam streckte ich mich aus. Jede Bewegung ließ mich zusammenfahren.
»Na los, komm schon!«, trieb der Wärter mich an.
Er packte meinen Arm und riss mich so ruckartig hoch, dass mir ein stechender Schmerz durch den Kopf schoss. Unwillkürlich tastete ich danach und fühlte eine Beule, die so groß sein musste wie ein Ei. An der Stelle hatte Dunbar meinen Kopf auf den Boden geschlagen.
»Du bist ja wirklich schlimm gefallen«, meinte der Wärter und grinste hämisch.
»Ja«, nuschelte ich. »Das nächste Mal passe ich besser auf. Bin direkt in Dunbars Faust gelaufen.«
Der Wärter hörte auf zu grinsen. »Das würde ich an deiner Stelle keinem verraten. Es sei denn, du willst zurück in den Anbau.«
»Ist ja auch egal.« Ich versuchte, tough zu wirken, aber allein die Erwähnung des Anbaus ließ mich vor Angst erstarren. »Wo ist mein Besuch?«
»Gehen wir«, sagte er und deutete mit dem Kinn zur Tür.
Er führte mich hinaus aus der Zelle, über den Gang im zweiten Stock und dann die Treppe hinunter. Wir gingen an einem Kasten aus Plexiglas vorbei, in dem ein Wärter an einem Schaltpult saß, umgeben von Computer- und Überwachungsmonitoren. Dann standen wir vor einer Eisentür.
Der Wärter, der mich in den Besuchsraum führte, nickte seinem Kollegen in dem Kasten zu. Kurz darauf ertönte ein lautes Summen und die Eisentür glitt zur Seite.
Wir gingen einen nackten Korridor aus Beton hinunter. In die weißen Wände waren weitere, fast unsichtbare weiße Türen eingelassen. Vor einer blieben wir schließlich stehen. Der Wärter öffnete sie mit einem Schlüssel, zog sie auf und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, hineinzugehen.
Kaum war ich eingetreten, schlug er die Tür hinter mir zu und schloss mich ein.
In dem kleinen, engen weißen Raum gab es nicht viel zu sehen, weder Fenster noch Einwegspiegel, nur die flüchtig gestrichenen, nackten weißen Blocksteinwände. Zwei weiße Plastikstühle standen an einem kleinen weißen Tisch, der mit Bolzen im Boden verankert war.
Ein paar Minuten stand ich einfach nur da und starrte belämmert auf all das Weiß. Ich war noch immer ein wenig durcheinander, hatte noch immer die neuen Erinnerungen im Kopf. Die Szene war dermaßen real gewesen, dass ich wirklich geglaubt hatte, ich sei dort. Es tat weh, wieder zurück, wieder hier im Gefängnis zu sein. Jeder andere Ort wäre besser gewesen.
Das Schloss knackte und die weiße Tür ging auf.
Ich drehte mich um. Detective Rose betrat den Raum.
Es war unbeschreiblich. Als ich ihn sah, entspannte sich mein geschundener und zerschlagener Körper von einer Sekunde auf die andere. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so gefreut habe, jemanden zu sehen.
»Rose!«, platzte ich heraus. »Oh Mann, wurde auch Zeit, dass Sie sich endlich blicken lassen!«
Er antwortete nicht. Sein Gesicht war leer und ausdruckslos, wie immer. Rose war ein Schwarzer mit einem runden, flachen Gesicht, einem dünnen Schnurrbart und cleveren, wachsamen Augen. Er lächelte nur selten und verzog auch nur selten eine Miene. Selbst seine Anzüge schienen auf merkwürdige Weise farblos zu sein. Er war immer vollkommen korrekt.
Sein Blick wanderte über meinen Körper und blieb kurzan den Schnittwunden und den Prellungen hängen. Aber er sagte nur: »Setz dich, Charlie.«
Unter Schmerzen ließ ich mich auf einem der weißen Stühle nieder. Rose setzte sich nicht, sondern stellte den Fuß auf die Sitzfläche und stützte seinen Arm auf das Knie. Dann schaute er auf mich herunter und musterte mich lange.
»Was ist mit dir passiert?«
»Ich bin gefallen.«
Er schnaubte. »Aha, gefallen.«
»Ich bin auf einen sadistischen Aufseher gefallen.«
»Wie ungeschickt von dir.«
»Wem sagen Sie das!« Ich schaute zu ihm hoch und suchte in seinen Augen nach irgendeinem Zeichen der Hoffnung. Die Ungewissheit war unerträglich. »Also, holen Sie mich nun hier raus, oder
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