The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
durch die Windschutzscheibe zu schauen.Es blitzte, und in dem kurzen Augenblick sah ich ein Haus, eine Villa, auf einem kleinen Hügel. Es war ein unheimlicher Ort und ein sehr bizarres Gebäude. In der Mitte ragte ein hoher Turm auf, mit einem kleineren an seiner Seite, während sich an der anderen Seite der Eingang unter einem Giebeldach befand. Überall prangten Schnörkel und Verzierungen in verschiedenen Grauschattierungen.
Wir mussten uns sehr weit von dem Bus entfernt haben. Ich wusste überhaupt nicht mehr, in was für einem Zustand ich mich eigentlich befand. Wo waren Waterman, Rose oder die anderen Leute, die diese wahnsinnige Idee gehabt hatten, einen Schüler von der Highschool in eine terroristische Organisation einzuschleusen? Wussten sie, wo ich war? Hatten sie überhaupt eine Ahnung, was hier passierte?
Noch einmal blitzte es und das seltsame Haus wurde kurz erleuchtet, bevor es wieder in Finsternis versank. Ich spürte, dass dies der zentrale Ort war, der entscheidende Augenblick der Operation. Es war das Hauptquartier der Homelanders.
Entweder wurde ich hier willkommen geheißen oder getötet.
Von einem Augenblick auf den anderen war es plötzlich Tag.
Mein orangefarbener Gefängnis-Overall war verschwunden und ich trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Ich stand in einem Schlafzimmer, das aussah, als sei es von irgendeinem exzentrischen Millionär eingerichtet worden. Die Dekoration war so abgedreht, dass sie schon fast komisch wirkte. Vor den Fenstern hingen schwere purpurrote, mit goldenen Fransen besetzte Vorhänge in kunstvollem Faltenwurf.Auf einem Kaminsims tickte eine Uhr mit Glasgehäuse, umgeben von vielen kleineren, ebenfalls tickenden Uhren. Der Kamin, in dem ein Feuer brannte, war so groß, dass eine vierköpfige Familie darin Platz gefunden hätte. Überall standen elegante antike Stühle und Tische aus Holz herum und das gewaltige Himmelbett war mit dem gleichen schweren, purpurroten Stoff behangen wie die Fenster.
Ich befand mich in dem bizarren Haus, das ich in der Nacht zuvor gesehen hatte. Das Zimmer lag in einem der beiden Türme, vermutlich in dem hohen Mittelturm. Gerade wollte ich zum Fenster gehen und hinausschauen, um mich zu orientieren, als die Tür aufging. Ein junger Mann, vielleicht ein wenig älter als ich, trat ein. Er sah gepflegt und attraktiv aus, ein blonder Haarschopf bedeckte seine Stirn. Vor sich hielt er ein Maschinengewehr, dessen Riemen er sich um die Schulter gelegt hatte.
Es war ein sehr seltsamer, irgendwie doppelter Augenblick, der sich in zwei verschiedenen Zeiten gleichzeitig abspielte. Ich kannte diesen Mann, und doch kannte ich ihn auch nicht. Jetzt, in dieser Erinnerung, war er ein Fremder, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Aber aus irgendeinem Grund wusste ich, dass er Orton hieß und sterben würde. Nicht jetzt, sondern erst Monate später. Er würde direkt vor meinen Augen erschossen werden und vor meinen Füßen tot zu Boden fallen.
»Gehen wir«, sagte er und deutete sowohl mit dem Kopf als auch mit dem Maschinengewehr nach vorn. Ich fragte mich, wie er sich wohl fühlen und verhalten würde, wenn er wüsste, dass er nur noch ein paar Monate zu leben hatte.
Ich folgte ihm aus dem Zimmer.
Der Traum, die Vision, die Erinnerung oder was auch immer es war, übersprang eine Stufe. Ehe ich mich’s versah, öffnete Orton eine weitere Tür und führte mich in ein anderes Zimmer. Ich trat über die Schwelle und sah den Mann, den sie Prince nannten. Den Anführer der Homelanders.
Waterman hatte mir sein Bild gezeigt und seine Geschichte erzählt. Er war ein saudischer Terrorist, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, unschuldige Zivilisten in England, in Israel und jetzt auch hier in die Luft zu sprengen. Ich hatte das gleiche eigenartige Gefühl wie bei Orton: Obwohl ich diesem Mann nie leibhaftig begegnet war, glaubte ich, ihn schon einmal gesehen zu haben. Als würde ich gleichzeitig damals und jetzt leben.
Der Raum, vermutlich das Büro von Prince, war anscheinend von demselben Spinner eingerichtet worden, der auch mein Schlafzimmer ausgestattet hatte. Überall hingen die gleichen purpurroten, fransenbesetzten Vorhänge, selbst dort, wo sie offenbar gar keine Funktion hatten. An einer Wand war ein riesiges Fenster und direkt gegenüber hing ein enormer Spiegel mit geschwungenem Goldrahmen. Er reflektierte den blauen Himmel und den sonnigen Morgen, sodass der ganze Raum in gleißend helles Licht getaucht war.
Unter dem Spiegel gab
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