The Hood
kugelsichere Weste wie die anderen Drogenfahnder.
Ein Vorschlaghammer kracht gegen die obere Ecke einer Tür mit abblätternder grüner Farbe. Die Schläge gehen weiter, bis das Holz splittert und nachgibt. Schwarzgekleidete Drogen-Cops mit Schutzhelmen stürmen hinein. Einer hat Schultern wie ein Kleiderschrank. Mindestens einhundert Kilo Muskeln. Drinnen befindet sich ein Crackhaus. Spritzen knirschen unter ihren Schritten. Benutzte Drogenutensilien fliegen über den Boden, als sie Leute gegen die Wand knallen. Sie fischen einen Jungen heraus, der wie sechzehn aussieht. Er liegt auf den Boden fixiert und brüllt, während sie auf ihm knien. Auf der anderen Straßenseite brüllen Kinder: Polizeischikane. Sie sollen es locker angehen lassen.
»Weitergehen«, fauchen die Cops zurück, versperren ihnen die Sicht.
Kennedy lernt viel auf der Straße und verwendet mehr und mehr Zeit darauf, mit Dealern zu sprechen, als die Gesellschaft seiner Akademiker-Kollegen zu suchen. Er hört aufmerksam zwei Typen zu, die an einem Ford Mustang lehnen. Eine 9-mm-Halbautomatik ragt hinten aus dem Hosenbund des einen, einem einundzwanzigjährigen Dealer und Gangmitglied. Er trägt seine Haare zu Cornrows geflochten und trägt einen weiten Parka mit Pelzbesatz. Er schwankt beim Reden, kaut auf seiner Unterlippe. Neben ihm steht sein Vollstrecker, ein riesiger Kerl in einem knallroten Basketball-Hemd mit einer 63 darauf.
»Diese Kids heutzutage. Ich fass es einfach nicht«, sagt der Dealer. »Und wir dachten, wir wären schon hart drauf.«
»Die Stadt ist völlig außer Kontrolle«, sagt sein Vollstrecker. »Es wird noch viel schlimmer. Glauben Sie mir.«
»Ich hab’s in South Central gesehen«, sagt David.
»Auf der Blue Hill Avenue geht es nachts total ab«, sagt der Dealer.
Sie sind aufgebracht und wütend. Vor ihnen wedelt ein alter Schwarzer mit seiner Baseballmütze vorbeifahrenden Autos zu. Kids treten einen Football gegen den Maschendrahtzaun einer stark abgesicherten Baustelle. Der Dealer ist eine gute Informationsquelle für David geworden, sein Seismograph der Straße. Über die Jahre werden andere Dealer ihm die gleichen Klagen erzählen, dass die Kids heutzutage keinen Codex mehr kennen. Drei Monate später ist der Dealer tot, erschossen.
Von 1988 bis 1991 erleben amerikanische Städte den Höhepunkt der Crack-Seuche. Kennedy arbeitet rund um die Uhr an Beyond 911 . Koautor Malcolm gibt ihm Feedback beim Tischtennis. Er ist ein unerschütterlicher Kritiker.
»Er versucht einen Vorhand-Loop, aber versagt. 20–11«, sagt Malcolm.
»Mist!«
»Ich hab deine letzte Version gelesen. Du schreibst immer noch zu poetisch, zu blumig.«
»Nicht wissenschaftlich genug, meinst du? Kein Ph. D. Deshalb wird man in Harvard auch nie auf die Idee kommen, mir einen Job in der Fakultät anzubieten. Ich wollte nie was anderes, als für den New Yorker schreiben.«
Er zieht hart durch in Richtung Malcolm, doch der Ball zischt gegen die Wand. Beide lachen.
»Will einen Schmetterball landen. Verfehlt den Tisch. 21–11.«
David legt seinen Schläger keuchend auf den Tisch, trinkt einen Schluck Bier. »Ich stecke viel zu sehr in der Arbeit, um knappe Prosa zu schreiben. Alles, was ich weiß, erfahre ich auf der Straße. Bewaffnete Dealer sind mir jeden Tag lieber als diese Eierköpfe aus der Fakultät. Die können erheblich besser reden. Wusstest du, dass manche Gelehrte in der akademischen Welt eigentlich ziemlich dumm sind? Ich erzähl dir mal eine Geschichte.«
Er beschreibt einen Streifenwagen auf einem schwach beleuchteten Parkplatz. Drum herum mit Brettern vernagelte Fenster, übersät mit Tags, den Markierungen von Gangs. Kennedy sitzt hinten und macht sich Notizen. Vorne die Silhouette eines Cops. Sein Gesicht liegt im Dunkeln.
»Wir fahren jede Nacht zu sechs, sieben Schießereien raus. Wir jagen einfach von einem Tatort zum nächsten.«
»Was ist mit Chez Vous? Der Rollschuhbahn.«
Der Cop seufzt. »Auf der Rollschuhbahn wurden so viele Waffen zurückgelassen, dass wir gar nicht wussten, wo wir anfangen sollten. Heute haben alle Kids eine. Die kommen über die Interstate 95 rauf. Feilen die Seriennummern weg.«
»Ich habe gehört, aus den Südstaaten kommen sie nicht.«
»Hm-hm.«
»Sie stammen aus New England. Hiesiger Einzelhandel.«
»Sie haben eine gute Quelle?«
»Die Beste. ATF .«
Kennedy steigt aus dem Wagen, geht auf die Beifahrerseite und beugt sich hinein. »Warum sind Ihrer Meinung nach
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