The Hood
Die waren okay. Sie sagten: ›Es ist doch einfach lächerlich, verstehen Sie. Man kann nicht mal mehr in seinem Bett schlafen, es ist absolut ungeheuerlich, und noch dazu so eine alte Frau, was sich die Leute so erlauben.‹ Sie waren großartig, die zwei. Dann sprachen wir mit zwei jungen Typen in Jogginganzügen, siebzehn, achtzehn Jahre alt. Haben kaum einen geraden Satz auf die Reihe gekriegt. Man wusste gar nicht, was die da eigentlich reden. Sie wussten selbst nicht, was sie da redeten. Brabbelten so vor sich hin.«
Einen kurzen Moment sitzen sie schweigend da.
»Also ist irgendwas passiert«, sagte John. »Es ist nicht immer so gewesen.«
»Es ist etwa seit den Achtzigern so, oder?«
»Aye. Wir sind nicht immer so besoffen gewesen. Irgendetwas ist in den vergangenen zwei oder drei Jahrzehnten passiert, und es hängt damit zusammen, dass unser Gemeinwesen vor die Hunde geht, dass der Gemeinschaft der Lebenssaft abgezapft wurde und nichts mehr übriggeblieben ist. Sie können nichts mehr bewältigen. Hoffnungslos. Hoffnungslose Männer.«
Karyn lacht.
»Das gefällt Ihnen.«
»Hoffnungslose Männer. Das kapiere ich.«
Weit unter ihnen die verstreuten Lichtsplitter einer Stadt.
»Viele dieser jungen Burschen sind alles andere als unschuldig«, sagte Karyn. »Gelegentlich bringen sie sich in Situationen, in denen sie sich nicht befinden sollten. Sie trinken zu viel, sie gehen Risiken ein und noch viele andere Dinge. Aber niemand hat das Recht, ihnen das Leben zu nehmen. Niemand.«
Wieder im Polizeipräsidium, beschließen sie, damit bis ganz nach oben zu gehen, eine Besprechung mit Chief Constable William Rae anzuberaumen. Karyn ballt die Fäuste und verpasst John einen liebevollen Schlag auf die Schulter. Es hat sich so ergeben, dass er der Verbündete ist, auf den sie gewartet hat.
Nach ein paar Tagen taucht er an ihrer Tür auf.
»Willie ist ein absoluter Gentleman«, sagt John. »Er wird uns empfangen. Er ist ein wortgewandter und nachdenklicher Mann.«
Noch nie zuvor hat Karyn so viele Abzeichen in einem Raum versammelt gesehen. Sie tragen ihr Anliegen so nachdrücklich wie nur möglich vor. Vor Rae liegt Karyns Bericht mit sämtlichen Belegen für ihre These. Gegen Ende sagt sie: »Sie müssen sich die Kernaussage unseres Berichts bewusst machen: Lediglich dreißig Prozent unserer Gewaltverbrechen werden überhaupt angezeigt. Wenn man also sagt, die Mordrate ist zwei Prozent gestiegen oder drei Prozent gesunken, dann bedeutet das eigentlich gar nichts.«
Es folgt ein kurzes Schweigen, während er darüber nachdenkt. Er ist ein entspannter Vorgesetzter, der lieber andere im Rampenlicht stehen lässt. Er erkundigt sich nach ihrer Arbeit.
»Im Moment machen wir nichts anderes, als gewissermaßen den Patienten zu stabilisieren. Und das machen wir ziemlich gut. Bei Morden haben wir eine Aufklärungsrate von über neunzig Prozent. Es ist völlig unkompliziert. Allerdings schnappen wir die Schwachen und Dummen, die erwischen wir. Diese Gangs gibt es seit vierzig, fünfzig Jahren. Die Grundeinstellung hat sich nicht geändert. Also wissen wir, bestimmte Dinge müssen wir anders angehen. Zum Teil geht es dabei um klassische Polizeiarbeit, zum Teil geben wir aber auch Aufgaben an Partner ab.«
Karyn berichtet von den Notaufnahmen, von der Analyse der Informationen über die Gangs, die von ihren Leuten durchgeführt wird.
»Das Motto der Polizei ist schützen, sichern und bewachen«, sagt sie. »Wenn man beschützen will, muss man auch vorbeugen. Also müssen wir viel früher anfangen. Noch bevor wir mit unserer eigentlichen Polizeiarbeit beginnen.«
Rae nickt nachdenklich. Er wendet sich an John.
»Wissen Sie, auf welchem Terrain Sie sich hier bewegen? Ich meine, haben Sie so etwas wie … eine Landkarte?«
John starrt ihn schweigend an. Heikle Frage. Vieles von dem, worüber sie nachgedacht haben, ist intuitiv, einfach nur Ideen, die ihnen kamen, weil die aktuellen Mittel nicht mehr funktionieren. Aber er ist Detective, und Detectives sind bekannt für schnelle Reaktionsfähigkeit.
»Nein«, sagt er. »Aber wir haben einen Kompass.«
»Das gefällt mir. Das gefällt mir.«
Rae lässt seinen Blick bedächtig über die Gesichter der ranghohen Männer am Tisch wandern, sucht den richtigen Detective Superintendent, dem er die Aufgabe übertragen kann. Sein Blick kehrt zu John und Karyn zurück.
»Nun, Sie beide scheinen ja eine ziemlich klare Vorstellung zu haben, warum übernehmen Sie es
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