The Hood
anzügliche Bemerkungen Mädchen gegenüber, prahlt bei dem Busfahrer mit seiner jüngsten Eroberung und schläft dann ein. Gegen halb acht steigt er aus dem Bus und geht das letzte Stück zu Fuß am Ufer des River-Kelvin-Kanals entlang. Ihm kommt eine powerwalkende Frau entgegen; sie trägt ein rotes Baumwoll-Top, Jeans und Turnschuhe. Farah Noor Adams, Sozialarbeiterin bei der örtlichen Bürgerberatungsstelle, hat gerade ihre achtjährige Tochter zur Schule gebracht. Die zierliche vierunddreißigjährige Pakistanerin hat langes schwarzes Haar. Sie bemerkt, dass der hagere, irgendwie fahrig wirkende Waddell ihr folgt. Sie wählt die Notrufnummer 999. Doch ihre Anrufe kommen nicht durch. Er kommt immer näher. Sie versucht es wieder, aber immer noch keine Verbindung. Dann wird sie plötzlich von hinten gepackt, sehnige Hände zerren sie zu Boden. Er schleift sie ins Gebüsch in den Schatten einer Überführung. Dort schlägt er ihr einen Backstein ins Gesicht und vergewaltigt sie. Sie bettelt um ihr Leben, aber er stranguliert sie. Der Überfall dauert eine halbe Stunde. Es passiert am helllichten Tag.
Zwei Arbeiter finden sie. Die Polizei sperrt den Tatort weiträumig ab und sichert DNA -Spuren an ihrem Körper und ihrer Kleidung. Sie jagen die DNA durch ihre Computer und finden nichts. Waddell ist nicht einschlägig vorbestraft. Er ist sauber. Nach einer Woche sind die Cops entmutigt, sie gehen nicht mehr davon aus, ihn zu schnappen. Die Öffentlichkeit ist zutiefst erschüttert. Die Zeitungen greifen den Fall auf und bringen Fotos des Opfers, erhöhen den Druck auf den für die Ermittlungen zuständigen Detective Superintendent Kenny Watters. Er gibt die folgende Pressemeldung heraus: »Die Resonanz der Öffentlichkeit auf unseren Aufruf ist enttäuschend. Es hat sich immer noch niemand gemeldet, der Farah gesehen hat, nachdem sie ihre Tochter zur Schule brachte.«
Alles sieht danach aus, als würde Waddell ungestraft davonkommen. Er wohnt nicht mal in der Gegend. Allerdings hatten die Cops die in jüngster Zeit entnommenen DNA -Proben noch nicht in das Computersystem eingespeist. Zehn Tage zuvor war Waddell angehalten und mit einem Messer erwischt worden. Nach dem alten System hätte man ihn gehen lassen, aber so wurde er aufs Revier gebracht, wo man eine DNA -Probe und Fingerabdrücke von ihm nahm sowie einen Aktenvermerk anlegte. Als man eine Woche später die DNA -Spuren erneut durch den Computer jagt, erscheint sein Name.
Karyn und John verfolgen die Nachricht über Waddells Festnahme im Fernsehen.
»Das ist das Beste, was wir bislang gemacht haben«, sagt sie zu John. »Ich habe keine Ahnung, wie viele Morde damit verhindert werden, aber es kann einfach nur gut sein.«
»Damit können Sie es den Cops verkaufen, also ist es nicht schlecht.«
»Es ist ein Anfang.«
Sie sieht ihn an, kneift die Augen zusammen. »Wenn wir das hier in Glasgow schaffen, dann schaffen wir es überall.«
Sie weiß, dass die Kids in den Siedlungen des East End immer noch jeden Freitag- und Samstagabend Gang-Kämpfe inszenieren. Irgendwie muss sie in diese Kultur eindringen. Irgendwie muss sie komplett verstehen, wer diese Kids sind und warum sie kämpfen.
Sie wirft sich ihre Jacke über die Schulter und wartet vor dem Fahrstuhl. Die Tür schrammt auf, und dahinter kommt der uniformierte Polizist mit den dichten schwarzen Augenbrauen zum Vorschein, mit dem sie in ihrer Anfangszeit diskutiert hatte. Sie zwängt sich neben ihn in die Kabine.
»Ohne euch hätten wir ihn niemals geschnappt«, sagt er und drückt auf den Knopf. Der Fahrstuhl fährt scheppernd nach unten.
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Samstag
Es ist Robbies dreizehnter Geburtstag. Seine Mutter überreicht ihm ein Geschenk, das in eine braune Papiertüte eingewickelt ist. Er balanciert es auf seinen Handflächen, prüft das Gewicht. Er zieht das Papier zurück und enthüllt zunächst einen geriffelten Schaft, dann eine dicke Klinge. Es ist eine Machete.
»Wir können dich nicht beschützen«, sagt seine Mutter achselzuckend. »Du musst dich selbst schützen.«
Samstag in Easterhouse. Der gefährlichste Tag der Woche. Eltern halten jetzt bis Montag die Luft an. Robbie späht durch das regennasse Fenster nach draußen. Er sieht nicht mehr als die schwarzen Konturen karger Hügel und gesichtslose Häuserreihen. Sein Blick ruht auf den dunklen Flecken Brachland, weit entfernt von jeglicher Infrarot-Überwachungskamera. Über dieses zerklüftete, steinige Gelände werden die Schlachten
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