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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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war, und das wollte etwas heißen. Sie stank nach Gin und Zigarettenrauch. Verpestete die ganze Nachbarschaft mit ihrem Geruch.
    »Ach, Sie sind’s«, sagte sie.
    Sogar ihre Stimme hatte sich verändert. Als hätte Barbara Hanlon chronischen Schnupfen.
    »Ich habe das von Elise gehört, Mrs. Hanlon.«
    »Tatsächlich.«
    »Ich dachte, ich schaue mal vorbei.«
    Sie nickte. Schwankte leicht. Alles, was er bis jetzt gesagt hatte, kam ihm wenig überzeugend vor, doch er fragte sich, ob sie das überhaupt merkte.
    »Ich wollte Ihnen sagen, wie leid es mir tut.«
    Sie starrte ihn mit leerem Blick an. Dann trat plötzlich ein Flackern in ihre Augen. Als würde in ihrem Kopf ein Licht an- und ausgehen.
    »Liebling? Wer ist das?«
    Eine Männerstimme, die genauso stark lallte wie sie.
    Die beiden veranstalteten hier wohl eine kleine Party.
    Am Todesabend ihrer Tochter.
    Der Mann trat hinter sie. Er war barfuß, mit nichts als einer zerknitterten Hose bekleidet, an der er gerade den Gürtel schloss. Er hatte eine knochige Brust, dünne blasse Arme und brauchte dringend eine Rasur.
    »Er ist Polizist, Eddie. Aus Sparta. Er ist wegen Elise gekommen. Detective Charlie Schilling. Der Gentleman, der die Ermittlungen geleitet hat. Detective, das ist Eddie.«
    »Das ist schrecklich nett von Ihnen«, sagte der Mann und reichte ihm die Hand.
    Schilling wusste nicht, was er sagen sollte. Plötzlich fühlte er sich sehr müde. Er hatte keine Ahnung, woran es lag, ob er wütend auf die Frau war oder traurig oder ob ihn ihr Anblick einfach nur anwiderte. Vielleicht war es alles zusammen oder nichts von alledem.
    »Sie ist heute Vormittag um elf Uhr fünfunddreißig gestorben. Das Krankenhaus hat mich angerufen.«
    »Ich weiß, Mrs. Hanlon. Ich hatte die Ärzte gebeten, mich auf dem Revier anzurufen, falls sich etwas tut. Wahrscheinlich habe ich es kurz nach Ihnen erfahren.«
    »Ich bin ein bisschen betrunken, wissen Sie?«
    »Ich denke, dazu haben Sie jedes Recht.«
    Sie fing an zu weinen. Der Mann hinter ihr legte ihr die Hand auf die Schulter. Er wirkte verwirrt und teilnahmsvoll zugleich.
    »Genau genommen habe ich in letzter Zeit ziemlich oft einen sitzen. Früher habe ich nie viel getrunken, höchstens mal ein Glas Wein, aber jetzt ist es anders. Ich trinke mit Eddie. Ich habe ihn in … Eddie, sag mal, wo haben wir uns eigentlich kennengelernt?«
    »Im Standish House. An der Bar.«
    »Genau. Wir haben uns an der Bar kennengelernt. Wissen Sie, das hier ist keine Ausnahme.«
    »Ich verstehe.«
    »Es ist nett von Ihnen, dass Sie vorbeigekommen sind, Detective«, wiederholte Eddie. Inzwischen hatte er beide Hände auf ihre Schultern gelegt. Sie schluchzte leise. Tränen liefen ihr gerötetes Gesicht hinunter.
    »Es ist nicht nur, weil Elise gestorben ist«, sagte sie. »Ich wünschte, es wäre so, aber so ist es nicht.«
    »Elise ist schon vor langer, langer Zeit gestorben«, sagte Eddie zu ihm. »Verstehen Sie?«
    Für Schilling gab es hier nichts mehr zu tun. Weder für sich selbst noch für diese Leute. Er kannte sich aus mit Trinkern. Nachdem Lila ihn mit den Kindern verlassen hatte, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, morgens ein paar Gläschen Wodka zu kippen und dann über den ganzen Tag verteilt am Flachmann zu nippen, um abends schließlich besoffen ins Bett zu fallen. Die übliche traurige, dumme Geschichte. Ed war schließlich derjenige, der ihn in eine Entzugsklinik verfrachtet hatte; ihrem Chef hatte Ed erzählt, er – Charlie – würde seinen kranken Bruder in Florida besuchen. Was sich erst als Lüge entpuppt hatte, als er ohne einen Hauch von Sonnenbräune im Gesicht zur Arbeit zurückgekehrt war.
    »Falls Sie Hilfe benötigen«, sagte er, »ich meine, wegen der Trinkerei, dann rufen Sie mich an. Egal, wer von Ihnen. Ich weiß, wo man Hilfe bekommt. Ich bin selbst dort gewesen. Wenn ich irgendwas für Sie tun kann, rufen Sie mich an. Es tut mir aufrichtig leid wegen Ihrer Tochter, Mrs. Hanlon.«
    »Mir tut es auch leid«, sagte sie. »Sehr sogar.«
    Eigentlich hätte das dumm klingen müssen. Aber das tat es nicht.
    Es klang wie eine Stimme, die aus einem tiefen Brunnen kam.
    »Danke, Officer«, sagte Eddie.
    Er wandte sich ab und stieg die Stufen hinunter. Während er hörte, wie hinter ihm die Tür geschlossen wurde, dachte er, dass er die beiden wahrscheinlich beim Vögeln gestört hatte oder – betrunken wie sie waren –, wohl eher beim Versuch. Vermutlich war es gar keine schlechte Idee, an einem Abend

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