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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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verspürte sie jenes vertraute Grummeln im Magen. Es war so hartnäckig, dass sie nicht schlafen konnte. Den ganzen Tag lang hatte sie ihre Kraft bei der Vogeljagd vergeudet. Sie war nicht besonders gut darin und würde es wohl nie werden. Aber ihr Hunger und das Gezwitscher in den Bäumen hatten sie dazu getrieben.
    Sie stellte sich auf die Hinterbeine, legte die Pfoten an die Fensterscheibe und kratzte am Glas. Die Frau im Zimmer bewegte sich in der Dunkelheit, hustete, rollte sich auf die Seite. Die Frau hatte sie noch nie gefüttert, aber sie lag neben dem Mann, der das tat. Erneut rührte sich die Frau, dann blieb sie reglos liegen, und die Katze spürte, dass sie nun wieder ebenso fest schlief wie der Mann.
    Sie sprang vom Sims auf einen Ast des benachbarten Baumes und von dort hinunter ins taufeuchte Gras, streifte vorsichtig durch die Dämmerung, hielt nach etwas Lebendigem Ausschau, nach etwas, das kleiner war als sie selbst und das sie verschlingen konnte, um ihren Hunger zu stillen.

    Als Sally die Kratzgeräusche am Fenster hörte, träumte sie gerade, wie sie als zehnjähriges Mädchen im Klassenzimmer hockte und dabei zusah, wie eine ihr unbekannte, zierliche und unscheinbare Lehrerin etwas an die Tafel schrieb. Ihre Mitschüler waren still und artig. Links neben ihr saßen Jack Wolff und Larry Pierce, ihre gefalteten Hände lagen brav auf dem Tisch; im wahren Leben hätten die beiden nie so ruhig dagesessen. Da waren Jack und Larry zwei richtige Rabauken gewesen. Klassenclowns. Sie war verwirrt, als gehörte sie gar nicht hierher, und sie war traurig, weil ihre Eltern sie einfach hier zurückgelassen, sie ausgesetzt hatten, und weil sie im Grunde ihres Herzens wusste, dass sie eine Gestrandete war und ihre Eltern nicht mehr zurückkehren würden.
    Die unscheinbare zierliche Lehrerin wandte der Klasse den Rücken zu und schrieb und schrieb, lange geschwungene Lettern in einer schönen Handschrift, doch Sally konnte die Wörter nicht lesen, weil die Lehrerin ständig auf und ab lief und ihr die Sicht auf die Tafel nahm. Cindy Wildman, das hübscheste Mädchen der Schule, saß zu ihrer Rechten. Sally schaute zu ihr hinüber und versuchte sie freundlich anzulächeln, war aber nicht richtig bei der Sache. Sie war den Tränen nahe. Cindy beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte: Ist egal. Ehe du dich’s versiehst, ist sie verschwunden. Das ergab zwar keinen Sinn, und sie kriegte es mit der Angst, denn wer sollte sie beschützen, wenn die Lehrerin fort war? Und dann wandte die Frau sich der Klasse zu und stellte sich lächelnd neben die Tafel, so dass Sally lesen konnte, was dort geschrieben stand: Mach doch eine Landschaftsaufnahme, wieder und wieder und wieder. Und jetzt fing sie tatsächlich an zu weinen, denn sie wusste, dass die Worte ihr Angst machen sollten, und als ihr die ersten Tränen über die Wangen rollten, spürte sie eine Hand auf der Schulter und drehte sich um; hinter ihr stand Ed. Er lächelte ihr aufmunternd zu. Keine Sorge, Kleines, sagte er. Dir wird nichts passieren.
    Der Traum verblasste und ging in einen anderen Traum über; er war nicht besonders wichtig, das spürte sie. Sie stand in einem Garten und sortierte aus einem Korb mit Äpfeln die Guten aus. Von da an schlief sie ruhig weiter, bis ihre innere Uhr ihr sagte, dass es schon spät war, dass heute ein normaler Arbeitstag war und ihre Eltern sich bestimmt fragten, wo sie nur blieb. Und dann erwachte sie und zog sich im Mondschein ihre Sachen an. Ed schlief weiter. Bevor sie ging, gab sie ihm einen Kuss auf die Stirn, ganz sanft, um ihn nicht zu wecken.
    An die beiden Träume konnte sie sich nicht erinnern.

14
Mittwoch, 6. August • Anderson
    Er dachte an Steiner/Hanlon. Charlie konnte den Fall nach all den Jahren nicht ruhen lassen, und er selbst auch nicht, obwohl er Charlie das niemals sagen würde. Er fragte sich, ob sie damals irgendetwas übersehen hatten, ging nochmal die einzelnen Punkte durch und dachte, wie sehr Charlie und er doch in vielerlei Hinsicht immer noch miteinander verbunden waren. All das ging ihm durch den Kopf, als er vor Kaltsas’ Drugstore vorfuhr und den Pick-up parkte.
    Darum bemerkte er auch Bill Richmonds großen weißen Cadillac nicht, der zwei Autos weiter parkte. Der Wagen fiel ihm erst auf, als er die Treppe schon zur Hälfte hochgestiegen war und nicht mehr kehrtmachen wollte. Er wollte Bill oder June nicht unbedingt aus dem Weg gehen, aber er hätte sich schon gerne ein paar Augenblicke

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