The Lost
Zeit genommen, um sich auf die Begegnung vorzubereiten. Obwohl ihm nicht klar war, wie genau er das angestellt hätte.
Er trat ein und fand, dass Dean es mit der Klimaanlage ein wenig übertrieb. Hier drinnen war es nur unwesentlich wärmer als in einer Kühltruhe. Er sah Bill Richmond hinten am Apothekentresen stehen, im Gespräch mit Dean; er steckte gerade die Brieftasche ein. Wie immer war Dean ganz in Krankenhausweiß gekleidet. Bill trug einen schicken dunklen Anzug, der vermutlich teurer war als Eds gesamte Garderobe zusammen, ausgenommen die Jagdstiefel von L. L. Bean, die eingeölt und poliert bei ihm im Schrank standen.
Als er sich den beiden näherte, drehte Bill sich plötzlich um und wäre fast in ihn hineingelaufen. Er lachte.
»Hoppla. Tut mir leid, Ed. Hey, wie geht’s dir? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«
Außer Sally hatten er und Bill nur eines gemeinsam, nämlich ihre Mitgliedschaft im Kriegsveteranenverband. Doch Ed hatte dieses Jahr kein einziges Treffen besucht und war auch zu keinem der Billardabende gegangen.
Richmond nahm die Tüte mit den Medikamenten in die andere Hand und streckte Ed seine Rechte entgegen. Er war ein begeisterter Händeschüttler, nutzte jede Begegnung für einen kräftigen Händedruck. Es war, als würde er für den Stadtrat kandidieren, und manchmal fragte Ed sich, warum Bill es nicht längst getan hatte. Schon ein komisches Gefühl, die Hand des Vaters zu halten, während die Hand der Tochter doch jeden Quadratzentimeter seines Körpers kannte. Er war froh, dass er nicht bei jeder Gelegenheit rot anlief.
»Hab eine kleine Sommererkältung, Bill. Werd sie einfach nicht los. Sonst geht’s mir gut.«
»Du auch? Sally und June sind auch erkältet. June hat es besonders schwer erwischt. Hoffentlich stecke ich mich nicht an. Einen Tag nicht zu arbeiten kostet mich ’ne hübsche Stange Geld.«
Schön, dass du mich daran erinnerst, dass du erfolgreich bist und viel Geld verdienst. Danke, Bill.
»Na, dann hoffe ich mal das Beste für dich. Ich drück dir die Daumen.«
Bill lächelte wieder. Trotz der kühlen Luft schwitzte er, und Ed fand, dass ihm ein paar Kilo weniger auf den Rippen ganz guttun würden. Erkältungen waren Kinderkram. Ein Herzinfarkt würde ihn viel länger aus dem Provisionsgeschäft reißen. Richmond klopfte ihm auf die Schulter.
»Ich drücke mir auch die Daumen, das steht fest. Hör mal, Ed, ich muss los. Alles Gute. Dean, dir auch alles Gute.«
Er gab ihm zum zweiten Mal die Hand, winkte Dean hinterm Tresen kurz zu, ohne ihn anzusehen, und marschierte forschen Schrittes aus dem Laden. Ein Mann, auf dem Weg zu einer Besprechung, auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung, ein wichtiger Mann. Ed dachte: Echt verdammt schicker Anzug.
Und er hatte nicht die leiseste Ahnung, halleluja.
Er ließ sich eine Packung Dristan und einen Vierundzwanzigerpack Kondome geben und nahm eine Schachtel Hustenbonbons aus dem Regal. Wäre Bill länger geblieben, hätte er auf die Kondome verzichten müssen. Dean lächelte nicht, als er ihm die Packung reichte; Dean lächelte nie, und Ed war froh darüber.
Vor einigen Monaten wollte Sally die Antibabypille nehmen, doch Ed hielt das für gesundheitsschädlich; aus demselben Grund lehnte er auch die Spirale ab. Er hatte sich über beides informiert und war skeptisch, auch wenn Sally seine Zweifel nicht teilte und ihn auslachte. Er wollte nicht schuld daran sein, falls sie ernsthaft krank wurde. Jetzt hätte man einwenden können, dass ein Mann mittleren Alters eben überhaupt keine Beziehung zu so einem jungen Ding hätte eingehen sollen. Bis zu einem gewissen Grad stimmte er dieser Sichtweise zu. Er wusste, dass er sie beide in eine prekäre Lage gebracht hatte. Aber Sally hatte bei der Sache auch ein Wörtchen mitzureden, und er respektierte ihre Meinung. Sie würden sich trennen, wenn der Zeitpunkt gekommen war, und sie wussten schon heute, wann es so weit war. Und bis dahin benutzte er lieber Kondome.
Er blieb noch eine Weile am Tresen stehen und sprach mit Dean über den Ruhestand, denn Ed hatte sich vor fast vier Jahren aus dem Arbeitsleben zurückgezogen, und Dean wollte, wenn es für ihn so weit war, nach Florida ziehen. Er hatte sich sogar schon einen Ort ausgesucht, ein Städtchen namens Punta Gorda, was Fetter Punkt auf Spanisch hieß. Warum jemand an einem Ort leben wollte, der Fetter Punkt hieß, war ihm schleierhaft. Er stellte sich ein Städtchen voller Fettsäcke vor, die Bermudashorts,
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