The Lost
ihnen würde so etwas je wieder passieren.
Aber wenigstens hatte es diese eine große Liebe überhaupt gegeben. Wenigstens war da diese Zärtlichkeit gewesen. In all der Zeit war er mit den Kindern kein einziges Mal auf dem Spielplatz oder beim Baseball gewesen. Wahrscheinlich war er eigentlich nicht dazu bestimmt, Kinder zu haben. Sein Job war seine Leidenschaft, danach kam Lila und dann die Sauferei. Letzteres ergab sich aus Leidenschaft Nummer eins sowie aus einer gewissen genetischen Veranlagung. Seine Eltern hatten das gleiche Problem gehabt.
Dabei waren seine Kinder zu kurz gekommen.
Will war von Geburt an schwierig gewesen und war es noch immer. Das wusste Schilling aus den wöchentlichen Telefonaten mit Lila und den Kindern. Sein Sohn war wütend und trotzig und hatte gleichermaßen schwierige Freunde, und Lila machte sich Sorgen um ihn. Schilling war immer sehr ungeduldig mit ihm gewesen und hatte von Will ein Maß an Selbstdisziplin gefordert, das der Junge nicht aufzubringen vermochte. Er liebte ihn, aber Tatsache war, dass sein Sohn ihn ständig auf die Palme brachte, und so sehr er sich auch bemühte, das zu verbergen, man merkte es ihm jedes Mal an.
Mit Barbara kam er etwas besser zurecht. Sie war ein stilles Mädchen, hatte früh lesen gelernt und verbrachte mehr Zeit mit ihren Büchern und Spielsachen als mit anderen Kindern. Sie konnte den ganzen Tag schmökernd am Bach hocken und war dabei glücklich und zufrieden. Schilling hatte sich jedoch irgendwann eingestehen müssen, dass ihn seine Tochter überhaupt nicht interessierte. Ihre Lesekünste und ihr hübsches Aussehen – das hatte sie von ihrer Mutter geerbt – erfüllten ihn zwar mit Stolz, aber wahrscheinlich verstand er junge Mädchen nicht gut genug, um sich länger Gedanken darüber zu machen, was in ihnen vor sich ging. Sie gehörte nicht zu jenen Kindern, die ständig bei ihrem Vater auf dem Schoß hockten oder vor dem Schlafengehen eine Gute-Nacht-Geschichte hören wollten. Sie hatte ihn nie darum gebeten, und von sich aus hatte er ihr solche Dinge nie angeboten. Er hatte sie die meiste Zeit ignoriert. Dafür schämte er sich, aber er wusste, dass sein Desinteresse größer war als seine Scham.
Er war ein lausiger Vater und ein etwas besserer Ehemann gewesen, und nach dreizehn Ehejahren stand er nun mit leeren Händen da. Er hatte jetzt nichts außer seinen Erinnerungen, einer Exfrau, die ihm zur Freundin geworden war, und einem Herz, das nur noch selten schmerzte. Er war seit Jahren mit keiner Frau mehr zusammen gewesen. Nicht seit der Steiner/Hanlon-Geschichte.
Als ihm klar wurde, dass Lila nicht zu ihm zurückkehrte, hatte er mit manischem Eifer verschiedene Frauen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft, wie jemand, der durchs Haus stürmt und verzweifelt nach dem Verbandszeug sucht, nachdem er sich aus Versehen in den Fuß geschossen hat. Dieser Zustand hatte einige Monate angehalten. Bis ihm alles zu viel geworden war.
Nach Lila kam ihm alles unsinnig vor. Andere Frauen interessierten ihn nicht.
Irgendwann war ihm der Gedanke gekommen, dass er wahrscheinlich immer noch um seine verflossene Liebe trauerte.
Er hatte viele Angebote gehabt, eindeutige und versteckte. Das war nicht das Problem. Wenn man in einer Bar hockt und nicht gerade wie Quasimodo aussieht – aber vielleicht selbst dann –, bekommt man irgendwann Angebote. Meistens hatte ihm die Energie gefehlt, eine Frau überhaupt zu begehren, geschweige denn, mit ihr zu flirten.
Jemand hat mal gesagt, wir würden einen geliebten Menschen niemals richtig verlassen. Sondern nur ersetzen.
Und ihm war klar geworden, dass er Lila nicht ersetzen wollte.
Deshalb war er an seine Arbeit gefesselt, an die Bar, ans Fernsehen und an den Handschuh, an jene langen leeren Abende wie den, der ihm jetzt bevorstand. Ferlinghetti hatte vom Warten auf die Wiederkehr der Wunder geschrieben. Schilling hätte sich schon mit der Wiederkehr von irgendwas begnügt.
Er arbeitete daran, indem er den Pye-Fall nicht ruhen ließ.
Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
Er fuhr in die Einfahrt, stellte den Motor ab und starrte auf das Haus, als hätte er vergessen, wer eigentlich dort wohnte. Schließlich ging er hinein.
13
Die Katze/Sally
Die Katze saß auf dem Fenstersims und blickte auf die bei den Schlafenden im Bett.
Der Mann war derjenige, der sie fütterte.
Sie wünschte, er würde aufwachen und ihr etwas zu fressen geben. Seit vor einer halben Stunde die Sonne untergegangen war,
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