The Lost
abgekommen und so tief in den Wald gerast war, dass er eine Waschbärenmutter und ihre drei in einem Bach fischenden Jungen aufgeschreckt hatte.
Er schlug vor, ihr die Strecke irgendwann mal zu zeigen, und sie fragte, ob sie dann auch durch die Senke rasen dürfe. Worauf er erklärte, dass er ja gar nicht wüsste, wie gut sie Auto fuhr.
Man durfte den Mädels nicht schon am Anfang zu viele Versprechungen machen.
Inzwischen wusste er, wo es hinging. Sie waren seit über einer Stunde unterwegs und fuhren jetzt auf der Route 3 dem Lincoln-Tunnel entgegen. Er fand es eine coole Idee von ihr, mit ihm nach New York zu fahren. Allerdings fragte er sich, was sie dort vorhatte. Ins Kino gehen, vielleicht in eines der großen Lichtspielhäuser? In eine Bar? Er bezweifelte, dass sie ein Oben-ohne-Lokal aufsuchen wollte, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass bei einem Mädchen wie ihr selbst so was nicht ausgeschlossen war.
Der Verkehr war dicht, und er fuhr gleichmäßig hundert, bis sie den Tunnel erreichten und er auf sechzig runtergehen musste. Er hatte eine Abneigung gegen Tunnel und gegen diesen ganz besonders. Ehrlich gesagt war das einer der Gründe, warum er nicht öfter nach New York fuhr. Der Chevy kam ihm immer viel zu groß und breit für die schmalen Fahrspuren vor. Erst recht, wenn man neben einem Greyhound-Bus herfuhr. Der Tunnel war für die kleineren Autos vergangener Zeiten gebaut worden. Wegen der pissgelben, abgasbefleckten Kachelwände war auch das Licht im Tunnel pissgelb und sorgte dafür, dass man eher schlechter als besser sah. Man hatte das Gefühl vorwärts zu stürzen, viel schneller zu fahren als die Tachonadel anzeigte. Und die Tatsache, dass er mit Hasch und Speed zugedröhnt war, verstärkte diesen Eindruck noch. Er konnte es kaum erwarten, endlich aus dem Tunnel herauszukommen.
»Nimm die Ausfahrt an der Zehnten.«
Er fädelte in den Innenstadtverkehr ein und fühlte sich gleich viel besser.
»Eine Frage: Wieso kennt ein Mädchen aus Kalifornien sich so gut in New York aus?«
»Mein Vater ist mit uns in den Ferien oft hergeflogen. Er ist in South Orange aufgewachsen und ist aus sentimentalen Gründen gerne auf dem Fluss rumgeschippert. Darum kenne ich den Tunnel ziemlich gut. Wir sind entweder im Olcott oder im Sheraton abgestiegen, so habe ich die Upper West Side kennengelernt. Denk wie ein Taxifahrer, Ray. An der Achtundsechzigsten biegst du rechts ab.«
»Warum wie ein Taxifahrer?«
Sie lachte. »Mein Vater sagt das immer. ›Man schafft es sicher durch den New Yorker Verkehr, wenn man wie ein Taxifahrer denkt.‹ Das heißt, man fährt defensiv, achtet auf den Nebenmann, doch gleichzeitig fährt man wie der Henker und stößt in jede verfügbare Lücke. Man macht sich nicht die Mühe, zu blinken oder aufs Tempolimit zu achten, man sucht nur die Lücke und drückt auf die Tube.«
Er grinste. Wenn’s weiter nichts war.
Er schoss die Anhöhe hinauf, sah rechts in zweiter Reihe einen Lieferwagen parken, scherte nach links aus und brauste zwischen einem zerbeulten 65er Buick und einem Taxi hindurch. Das machte Spaß!
»Gut gemacht. Wenn du das Tempo hältst, haben wir die Strecke Richtung Uptown grüne Welle.«
Offensichtlich wussten das auch die anderen Fahrer. Denn der Verkehr rollte gleichmäßig dahin. An der Achtundsechzigsten ging Ray vom Gas und bog ab. Im Gegensatz zu eben bewegten sich die Autos jetzt im Schneckentempo.
»Such irgendwo in der Gegend einen Parkplatz.«
Er hatte Glück. Zweieinhalb Straßen weiter, kurz vor der Ecke Columbus Avenue, fuhr eine stahlblaue Corvette vor ihm aus einer Lücke. Es würde knapp werden, aber rückwärts einzuparken war eine seiner leichtesten Übungen. Er schaffte es gleich beim ersten Versuch. Er schaltete das Licht aus und drückte den Knopf, um das Verdeck herunterzuklappen. Dann stellte er den Motor ab und grinste sie an.
»Und? Wie war ich?«
Sie beugte sich hinüber und küsste ihn auf die Wange. »Du warst klasse.«
O ja. Die ganze Fahrt über war er obercool gewesen. Er war bestens in Form.
»Ich denke, das Löwenbräu packen wir lieber nach hinten.«
Sie nickte. Während der Fahrt hatte sie lediglich zwei Bier getrunken. Er nahm die Sechserpacks und die leeren Flaschen von der Rückbank und stellte sie in den Kofferraum. Als er ihn schließen wollte, erschien Katherine mit den Chips und Bretzeln neben ihm.
»Das hier auch. Die Gegend ist zwar recht ruhig, aber in dieser Stadt brechen sie einem schon das Auto auf,
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