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The Lost

Titel: The Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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sich nichts anmerken zu lassen. Sie ließ ihn reden, bis er sich, wie es schien, einigermaßen gefasst hatte und seine Stimme fast wieder normal klang. Sie sagte, sie würde sofort kommen, sie würde morgen gleich das erste Flugzeug nehmen und dass es für Mutter besser so sei, Daddy, du weißt doch, wie sehr sie gelitten hat. Und er sagte, ja, ich weiß, aber ich habe sie verdammt nochmal geliebt, worauf Katherine entgegnete, ich auch. Und dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Der Schock, den diese unabänderliche Wirklichkeit ausgelöst hatte, ging zu tief und hatte sie völlig unvorbereitet getroffen. In all den Jahren voller Bitterkeit und Hass hatte sie ihre Mutter geliebt, ohne sich dessen bewusst zu sein; es war ein kleines Licht in einer Höhle gewesen, ein Licht, zu schwach, um die Dunkelheit zu durchdringen. Aber jetzt brannte es gleißend hell. Sie war ein Kind, das nun für immer von seiner geliebten Mutter getrennt war, nicht mehr und nicht weniger, und die ganze Zeit über hatte sie nichts von ihrer Liebe gewusst. Sie hatte es nicht gewusst.
TEIL ZWEI

    »Unversehrte Menschen gibt es nicht.«

– PETE DEXTER, The Paperboy

26
Montag, 11. August bis Freitag, 15. August
Die Woche im Rückblick
    Als um zehn Uhr am Montagvormittag das Telefon klingelte, lag die Katze auf Ed Andersons Sofa und hielt ein Verdauungsschläfchen, nachdem sie zuvor eine halbe Büchse Friskies Buffet zusammen mit etwas Trockenfutter gefressen hatte. Es war der Schlaf der Nicht-mehr-ganz-Unschuldigen, denn gleich nach dem Fressen hatte sie, satt und zufrieden, damit angefangen, eines der Sofabeine als Kratzpfosten zu missbrauchen, und erst damit aufgehört, nachdem Ed ihr eine Dusche aus der Gießkanne angedroht hatte. Und als jetzt das Telefon klingelte, öffnete sie die Augen, gähnte und fuhr kurz die Krallen der rechten Pfote aus, dann schlief sie weiter.
    Am anderen Ende der Leitung war Charlie. Wäre die Katze wach gewesen, hätte sie gesehen, wie Ed die Gesichtszüge entglitten, während Charlie ihm das Resultat seiner Bemühungen schilderte, Sally einen Job bei der Polizei zu besorgen.
    Ed legte auf, war verwirrt und etwas verlegen. Wenn im Department schon alle Bescheid wussten, wer wusste außerdem davon? Er hatte gedacht, er und Sally hätten sich unauffällig verhalten.
    Er dachte an die Jungs im Panik’s. Wussten die etwa auch Bescheid? Aber warum machte er sich deswegen überhaupt Gedanken? Schließlich taten er und Sally nichts Verbotenes. Sie war ehemündig.
    Sie hatten einander gern.
    Mist, dachte er und rief sie an.
    Sally hatte in ihrem Zimmer ein eigenes Telefon, also hätte eigentlich nicht June Richmond abheben sollen, aber sie tat es trotzdem. Er legte wieder auf, blieb einen Moment neben der Katze sitzen und starrte auf den Hörer. Er kam sich vor wie ein Teenager, der hinter dem Rücken seiner Eltern heimlich telefoniert. Seine Mutter und sein Vater waren seit acht beziehungsweise sieben Jahren tot. Es war, als hätte der bloße Umstand, dass Sally noch bei ihren Eltern wohnte, ihn um Jahrzehnte zurückversetzt, als er selbst noch bei seinen Eltern gewohnt hatte.
    Er hätte wissen müssen, dass sich in einer Kleinstadt wie dieser so etwas nicht lange geheim halten ließ. Aber er hatte gedacht, dass derjenige, der ihnen auf die Schliche kommen würde, auch einen Grund dafür hatte. Also besonders ihr Vater und ihre Mutter. Dass inzwischen das ganze Department Bescheid wusste, überraschte und beunruhigte ihn.
    Was zum Teufel tat er da bloß?
    Er verbrachte einen scheußlichen Nachmittag Er fuhr die paar Blocks in die Stadt, gab seine Schmutzwäsche ab und nahm seine Hemden in Empfang. Aufs Bügeln zu verzichten war ein Luxus, den er sich erst seit Evelyns Tod erlaubte. Von der Wäscherei ging er hinüber ins Sugar Bowl, wählte am Hallmark -Regal eine Geburtstagskarte für seine Schwester in Wisconsin aus und zahlte bei dem Mädchen am Tresen. Anschließend hob er von seinem Konto bei Mayflower Savings hundert Dollar ab.
    Dann stieg er wieder ins Auto und fuhr zum Supermarkt. An der Meeresfrüchte-Theke holte er ein Kilo Hummer, ein Dutzend Miesmuscheln, ein Dutzend mittelgroße Garnelen, ein Dutzend Jakobsmuscheln und ein halbes Kilo Dorsch. Er schob den Einkaufswagen rüber zum Gemüsestand und nahm sich ein paar Stangen Lauch, einen Bund Petersilie, eine Selleriestaude, eine mittelgroße Zwiebel und eine Knoblauchknolle. Außerdem packte er ein Baguette, eine Flasche Muschelsud, gemahlene

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