The Lucky One - Für immer der Deine/Film: Roman (German Edition)
flog. Sein Spiegelbild im Wasser begleitete ihn, und ich weiß noch, wie ich dachte: So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.« Bei der Erinnerung schüttelte er den Kopf. »Wir hatten vor zurückzurudern, bevor zu viele Leute kommen, und am Abend wollten wir in der Stadt
ein Steak essen und ein bisschen feiern. Aber die Zeit verging schnell, und wir sind zu lange draußen geblieben.«
Er rieb sich die Stirn. Es fiel ihm schwer, die Fassung zu bewahren. »Ich habe das Boot schon vorher gesehen. Ich kann nicht erklären, wieso es mir aufgefallen ist. Vielleicht hat die Erfahrung im Irak etwas damit zu tun. Jedenfalls dachte ich irgendwie, dass ich dieses Boot im Auge behalten muss. Sehr seltsam, findest du nicht? Dabei haben sich die Leute in dem Boot auch nicht anders verhalten als die übrigen. Ein paar Jugendliche, die sich einen schönen Tag machen wollten. Wasserskifahren, tauchen und so weiter. Sie waren zu sechst im Boot – drei Jungen und drei Mädchen –, und man hat ihnen angemerkt, sie wollen es genießen, dass es noch mal warm genug ist, um auf den See rauszufahren.«
Als er fortfuhr, klang seine Stimme belegt. »Ich habe das Boot kommen hören«, sagte er. »Und ich wusste, gleich passiert etwas – obwohl ich nichts gesehen habe. Ein Motor macht ein bestimmtes Geräusch, wenn er ungebremst auf dich zukommt. Es klingt wie eine Vorwarnung. Das Gehirn nimmt so etwas unbewusst wahr – und mir war sofort klar, dass wir in Gefahr sind. Ich habe den Kopf gedreht – und da sah ich den Bug mit fünfzig Stundenkilometern auf uns zurasen.« Thibault presste die Fingerkuppen gegeneinander. »Victor hat es auch gemerkt, und ich sehe noch sein Gesicht vor mir, diese grauenvolle Mischung aus Entsetzen und Staunen – wie oft habe ich im Irak diesen Gesichtsausdruck bei Freunden gesehen, kurz bevor sie starben.«
Elizabeth legte ihm die Hand aufs Knie. Sie war ganz blass geworden. »Das tut mir leid …«
Er schien sie nicht zu hören.
»Es ist einfach nicht fair, verstehst du? Drei Aufenthalte im Kriegsgebiet hat er überlebt, dieses fürchterliche Chaos – und dann stirbt er beim Angeln. Ich konnte es nicht fassen. Danach war ich ziemlich kaputt. Nicht körperlich, sondern psychisch. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Ziemlich lange. Ich habe alle Hoffnung aufgegeben, ich konnte nicht mehr essen, ich habe nachts immer nur ein paar Stunden geschlafen, und es gab Phasen, da kamen mir ständig die Tränen. Victor hatte mir erzählt, dass er immer wieder Visionen von toten Soldaten hat, und nach seinem Tod ging es mir ganz ähnlich. Auf einmal war ich wieder mitten im Krieg. Wenn ich einschlafen wollte, sah ich Victor vor mir oder irgendwelche Bombenangriffe, die wir überlebt hatten, und ich fing an, am ganzen Körper zu zittern. In dieser Zeit hat mir nur einer geholfen, nicht vollständig verrückt zu werden, und das war Zeus.«
Thibault schaute Elizabeth an. Trotz der qualvollen Erinnerungen war er wie verzaubert von der harmonischen Schönheit ihrer Gesichtszüge, vom goldenen Schimmer ihrer Haare.
Voller Mitgefühl flüsterte sie: »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Ich auch nicht.« Er zuckte ratlos die Achseln. »Immer noch nicht.«
»Aber du weißt, dass es nicht deine Schuld war?«
»Ja, irgendwie schon«, murmelte er. »Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende.« Er legte seine Hand auf ihre, weil er wusste, dass er schon zu viel erzählt hatte, um jetzt aufhören zu können.
»Victor hat immer über das Schicksal gesprochen«, fuhr er fort. »Er war überhaupt ziemlich abergläubisch, und an unserem letzten gemeinsamen Tag sagte er, ich würde meine Bestimmung erkennen, wenn ich ihr begegne. Daran musste ich ständig denken, auch als es mir so schlecht ging. Ich habe immer wieder seine Stimme gehört, und allmählich wurde mir klar, dass ich meine Bestimmung nicht in Colorado finden kann. Aber ich hatte keine Ahnung, wo sonst. Schließlich habe ich meinen Rucksack gepackt und bin losgelaufen. Meine Mutter dachte, ich hätte den Verstand verloren. Aber mit jedem Schritt wuchs bei mir die innere Gewissheit, dass ich wieder gesund werde. Dass diese Wanderung genau das ist, was ich brauche, um geheilt zu werden. Und als ich nach Hampton kam, habe ich gewusst, dass ich nicht mehr weiterzugehen brauche. Dass Hampton mein Ziel ist, der Ort, an den ich gehen musste.«
»Deshalb bist du geblieben.«
»Genau.«
»Und dein Schicksal? Deine Bestimmung?«
Er antwortete nicht.
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