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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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und schob Dolly ins Meer, sodass Wasser in meine Schuhe lief und der Stoff meiner Hosen sich vollsaugte. Das Wasser war lauwarm, aufgeheizt von der gesteigerten vulkanischen Aktivität entlang der Mittelatlantischen Schwelle – Tiefseegräben, die viele tausend Kilometer unter der Kontinentalplatte verliefen.
    Als mir das Wasser bis zur Taille reichte, trat ich neben Dolly und zog den Reißverschluss bis zu ihren Füßen auf, schob den Beutel unter ihren Schultern nach unten und legte ihren Kopf in meine Halsbeuge. Den anderen Arm schlang ich um ihre Hüften. Ihr ganzer Körper war mit einer Gänsehaut überzogen, aber ich achtete nicht auf die Kälte und hob sie ins Wasser. Die Eispackungen hüpften um uns herum auf den Wellen.
    Die Unwetterwolken verdeckten zusehends die Sonne, sodass sich große Schattenflecken ausbreiteten, die wie eine frühe Abenddämmerung wirkten. Ich befreite Dolly aus dem Plastiksack und hielt sie nackt ins Wasser. Ein Arm hatte ich unter ihre Schultern gelegt, den andern unter ihre Kniekehlen. Anfänglich war sie ganz steif, doch mit jeder Sekunde, die verstrich, entspannte sich ihr Körper. Als sich ihre Knie lockerten, sanken ihre nackten Füße ins Wasser. Ich watete tiefer ins Meer hinein, wobei sich meine Krawatte züchtig über ihren Busen legte.
    Bald reichte mir das Wasser bis zu den Ellbogen, und die Last auf meinen Armen verlor an Gewicht. Blitze zuckten durch die Wolken und vergoldeten die violetten Massen. Spuren der elektrischen Entladung fuhren ins Meer. Es kribbelte in meinen Lenden und zuckte bis in meine Kehle, sodass ich in Lachen ausbrach, als wäre Gott endlich mit der Pointe herausgerückt.
    Mein fünfköpfiger griechischer Männerchor war in ein Schnellboot gestiegen, das am Geländer vertäut gewesen war. Einer der Männer betätigte immer wieder den Seilzugstarter, während die anderen geduldig dasaßen und warteten. Sie würden noch vor dem Einsetzen des Unwetters festen Boden erreichen und damit dem sicheren Tod entgehen. Vielleicht waren sie jedoch auch bereits tot. Oder sie lebten und hatten es auf Dolly und mich abgesehen, weil sie scharf darauf waren, etwas zu tun, was kranke Menschen tun, wenn Recht und Gesetz sie nicht daran hindern können.
    Ich stemmte mich gegen die herannahenden Wellen und tauchte unter. Meine Augen ließ ich offen, sodass ich spürte, wie das Salz in ihnen brannte. Mit einem Arm umklammerte ich Dolly an der Taille, mit der anderen drückte ich ihre Brust an meine, damit sie unter Wasser blieb, wo die Wärme des Wassers sie umfing. Meine Lunge zog sich krampfhaft zusammen, da sie nach Atemluft gierte. Mein Wille war jedoch stärker, und ich zwang mich, nicht aufzutauchen, um tief Luft zu holen. Mein Herz pumpte weiter Blut durch meine Adern, um mich daran zu erinnern, dass ich noch nicht zu den Zurückgekehrten gehörte.
    Ich presste meine Finger an ihr Gesicht, denn ich wollte unbedingt spüren, wie ihr Bewusstsein, dieser Gedankenstrom, der im Eis gefangen war, erwachte. In meiner Benommenheit – ich stand kurz davor zu ersticken – sah ich in zweitausend Meilen Entfernung die erfrorenen Körper lange verschollener Antarktis-Forscher, die jetzt einem ewig währenden zweiten Bewusstsein entgegensahen, ohne jede Hoffnung, sich bewegen zu können, bis die Polkappen geschmolzen waren. Ich sah die Knochen der vor Jahrzehnten Verstorbenen, die in ihren Särgen rumorten, jedoch den Deckel nicht anheben konnten und dazu verdammt waren, in der beengten, geräuschlosen Dunkelheit vor sich hin zu grübeln. Ich sah ukrainische Atomstädte, in denen die Krebsfälle sich häuften und Föten, die eigentlich Totgeburten sein sollten, sich in den Bäuchen ihrer Mütter wieder regten. Ich sahGegenden in Afrika, in denen Völkermorde begangen worden waren und die Toten sich wie Gräser bei Tagesanbruch wieder erhoben, die brennenden Gruben ihre verkohlte Nachkommenschaft ausspien … Jetzt hob ich meinen Kopf aus dem Wasser und atmete.
    Die fünf Männer hatten ihr Boot in unsere Nähe gesteuert und waren nur noch ein paar Meter von uns entfernt. Zwei Männer schauten vorn über das Dollbord, um eventuelle Hindernisse rechtzeitig erspähen zu können – Straßenschilder und die Dächer der überfluteten Häuser. Hinter ihnen wurde der Himmel immer dunkler. Die Männer rauchten Zigaretten … Es waren also keine Toten. Eine unerfreuliche Neuigkeit für Dolly und mich. Einer von ihnen stand auf, deutete auf mich und sagte. „Da!“ Einen Moment

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