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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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später steuerte das Boot direkt auf uns zu.
    Der Wellen wurden jetzt höher. Sie schlugen mir ins Gesicht, versuchten, mir die Füße unter dem Körper wegzuziehen und mich mit der Strömung mitzureißen. Ich pumpte meine Lunge mit Sauerstoff voll und tauchte mit Dolly in den Armen wieder unter. Ich zog sie so dicht an mich, dass ihr Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war, damit ich sie besser sehen konnte. Auf einmal ging ein Ruck durch ihren Körper, und ihre Beine schnitten durch die aufgewühlte See.
    Ich wandte mich wieder Richtung Ufer. Meine Füße suchten vergeblich nach der rauen Oberfläche der überfluteten Straße. Kaum einen Meter fünfzig tief, und schon meinte das Meer, uns für sich beanspruchen zu können. Wir gerieten ins Kielwasser des Bootes, doch ich ließ Dolly nicht los. Sie klammerte sich am Revers meines Jacketts fest. Ich wollte nicht zurück an die Wasseroberfläche, damit die Männer nicht sehen konnten, wo wir waren.
    Mit jeder Welle strebte ich voran und hielt, so gut ich konnte, die Stellung. Ich streifte einen Schuh ab und bohrte meine bestrumpften Zehen in einen Riss im Asphalt. Als meine Lunge sich aufs Neue aufgrund des Luftmangels zu verkrampfen begann, stellte ich mich aufrecht hin. Ich kam mit dem Kinn nur knapp über die Wasseroberfläche, und Panik überfiel mich. Ich war weiter vom Ufer entfernt als zuvor.
    Eine ablandige Woge ließ uns durch das Wasser wirbeln, und wir überschlugen wir uns. Ein Instinkt sagte meinen Armen, dass siekämpfen, dass sie loslassen müssten, doch noch während Dolly mir entglitt, wehrte ich mich dagegen.
    Auch sie strampelte wild mit ihren Armen und Beinen. Das war nicht die Geburt, die ich mir für sie erhofft hatte. Ich brüllte wütend, und zur Belohnung füllte sich meine Luftröhre mit Salzwasser. Ich hustete und keuchte und dachte: Ein Pool in irgendeinem Garten, ein Hotel-Jacuzzi, selbst eine warme Dusche hätten es auch getan. Aber wie immer hatte ich mich um des dramatischen Effekts willen übernommen.
    Meine Arme griffen ins Leere. Dolly war fort. Meine Lunge brannte. Keine Luft mehr. Ich wirbelte durchs Wasser und wusste nicht mehr, wo unten und oben war, während sich das Unwetter dunkel auf die See herabsenkte.
    Hart wurde ich unter den Armen gepackt, und es fühlte sich an, als würden sich Angelhaken in mein Fleisch bohren, während man mich hochzog. Ich ballte die Faust um etwas – Fleisch und Knochen –, bei dem es sich Gott sei Dank um Dollys Handgelenk handelte. Ich hatte sie, und jemand anders hatte mich, hob mich hoch. Der Bootsrand drückte sich so plötzlich in meinen Bauch, dass ich das Wasser herauswürgte, das ich eingeatmet hatte. Hände zogen an meinem Jackett und zerrten mich an Bord des Schnellboots. Ich fiel der Länge nach auf eine Ruderbank. Die nur mit Hosen bekleideten Männer zogen nun auch Dolly aus dem Meer.
    Graue Wirbel tobten in den violetten Wolken über uns wie sich windende, elektrisch geladene Aale, die ihre Ladung durch den Äther blitzen ließen. Das Boot schwankte, und die Männer brüllten, während der Regen mit solcher Wucht auf mein Gesicht prasselte, dass es vor Schmerz brannte. Ich roch Rauch, Benzin und die sauren Ausdünstungen von Menschen, die sich lange nicht gewaschen hatten. Einer der Männer schlug mir leicht ins Gesicht. „Bist du okay, Kumpel? Alles klar?“ Sein bärtiges Gesicht versperrte mir den Blick auf den Himmel.
    „Bin okay“, sagte ich hustend. „Das Mädchen?“
    Wir rasten auf das Ufer zu, doch das Meer griff noch einmal nach uns, schwappte ins Boot und versuchte, es zum Kentern zu bringen.
    Jemand sagte: „O mein Gott …“
    Und: „Sie ist … sie ist tot … Sie ist eine von den Toten …“
    Ich versuchte mich aufzusetzen, aber irgendjemand drückte mich auf die gepolsterte Ruderbank zurück.
    „Lasst sie in Ruhe!“, rief ich.
    „Schaut euch ihre Handgelenke an. Sie atmet nicht. Himmel, ihre Augen …“
    Trotz ihres Gebrülls, des Tosens der See, des laufenden Bootsmotors und des ständig krachenden Donners – trotz all dieses Lärms hörte ich das anschwellende Geräusch von etwas anderem, das wie Wasser klang, das allmählich zu brodeln beginnt.
    „O Gott“, rief jemand, „Hagel.“
    Augenblicklich warfen sich die Männer aufs Deck, das nicht groß genug war für uns alle. Ich streckte meinen rechten Arm in die Richtung aus, in der ich Dollys Rücken sah. Der Hagelschauer trommelte auf das Boot und wühlte das uns umgebende Wasser

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