The New Dead: Die Zombie-Anthologie
hat. Wenn man Mist baut, ist es das eigene Blut, das den Boden bedeckt.
Ich hatte meinen ersten Herzanfall mit sechsundzwanzig. Normalerweise erzähle ich, dass es genau an meinem Geburtstag passiert ist, aber in Wirklichkeit geschah es einen Tag später. Ich hatte die Nacht mit Koks und Wodka durchgemacht, am nächsten Morgen duschte ich, schluckte ein paar Destroamphetamine und ging zur Arbeit. Die beiden Typen, mit denen ich zusammen war, hatten mehroder weniger das Gleiche gemacht, aber die klappten im Verlauf des Vormittags vor Erschöpfung zusammen und schlichen sich in den Raum mit den Feldbetten, den die Verwaltung für Leute bereithält, die ihre Zusammenbrüche durch eine halbe Stunde Schlaf auf ein erträgliches Maß reduzieren. Ich aber machte einfach weiter, weil ich gerade an einer Börse zugange war, an der keiner wusste, was los war, und man somit Devisengeschäfte tätigen konnte, bei denen man auf Kurse spekulierte, von denen man bereits wusste, dass sie fallen würden. So etwas konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.
Doch dann begann alles, was ich hörte, wie in einem schlechten Film nachzuhallen. Na und? Und wenn schon. Ich brauchte nicht richtig zu hören, um die Zahlen zu erkennen, die über den Bildschirm liefen. Ich setzte auf fallende Kurse, glich aus, brachte totes Kapital wieder ins Spiel und gab den Arschlöchern in Tokio das Gefühl, jeder Pups von mir sei eine frische Brise.
Und dann lag ich plötzlich auf dem Boden, und mehrere unsichtbare Sumo-Ringer saßen auf meiner Brust. Tokios Rache, dachte ich noch, ehe ich das Bewusstsein verlor.
Drei Tage lang war ich in der Portland Clinic auf Kaviar und Tenecteplase. Danach bin ich gleich wieder aufs Pferd gestiegen. Die Typen, die stehen bleiben, fangen nie wieder an, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich habe das häufig genug erlebt, um zu wissen, dass das ein Naturgesetz ist.
Der zweite Anfall kam überraschend, weil ich diesmal nicht bei der Arbeit war: Ich war mit einer Frau zusammen. Mit dieser Formulierung will ich den Geschlechtsakt umschreiben. Normalerweise war ich ziemlich gut beim Sex. Ich kann einen gewissen Erregungszustand erreichen und ihn so lange aufrechterhalten, wie ich will, das heißt, bis meine jeweilige Partnerin so weit ist, mit mir zusammen den Höhepunkt zu erklimmen. Bei dieser speziellen Gelegenheit jedoch musste sich die Dame unter meinem reglosen Körper herauswinden und den Notarzt verständigen. Ich hatte ihr Höschen wie eine Mütze aufgehabt und trug es noch immer, als ich wieder aufwachte – diesmal jedoch nicht im Portland, sondern im staatlichen Royal Free. Verdammte Sanitäter! Sie hatten mir auch meine diamantenen Manschettenknöpfe abgenommen, aber wie zum Teufel sollte ich das beweisen? Wenn man bewusstlos ist, können sich die Leute alle Freiheiten herausnehmen.
Das war also der zweite Anfall, und die Ärzte prophezeiten mir, dass Nummer drei nicht lange auf sich warten lassen würde, wenn ich nicht etwas kürzerträte und mir eine gewisse Zen-Ruhe zu eigen machte. Ich hielt mich nicht mit solchen Anweisungen auf: Ich bin, was ich bin, und gehe immer bis an die Grenzen meiner Belastbarkeit.
Deshalb sah ich dem Tod direkt ins Pokerface, sah, was er auf der Hand hatte, und setzte Plan B um.
Hören Sie, das ist kein großkotziges Gerede, das ich hier von mir gebe, okay? Ich habe es nicht nötig, einen Niemand wie Sie zu beeindrucken, und davon abgesehen ist es eh etwas Grundsätzliches. Jeder, der über ein wenig Verstand verfügt, kann sich vergewissern, wie warm oder kalt es wird, und sich entsprechend auf das Wetter vorbereiten.
Es ist jetzt ein paar Jahre her, dass die Toten zurückkamen. Es war ungefähr zur Zeit der Milleniumswende. Wahrscheinlich fing es schon viel früher an, aber das war der Zeitpunkt, als aus den sporadischen Fällen eine ganze Flut wurde. Einige kommen im Geiste zurück, andere im Körper. Ein Bekannter von mir, der sich mehr oder weniger scherzhaft als Exorzist bezeichnet und damit sogar sein Geld verdient, meint, das wäre alles das Gleiche: Zombies sind Leute, deren Geist sich aus Angst, Sturheit oder einfach nur Gewohnheit an das eigene tote Fleisch klammert, und sie lernen durch die Trial-and-Error-Methode, wie man alles wieder zum Laufen bringt. Man hört natürlich auch verrücktere Geschichten – wenn zum Beispiel ein menschlicher Geist blitzartig in ein Tier fährt und eine etwas gewaltsame Umstrukturierung vornimmt.
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