The New Dead: Die Zombie-Anthologie
Banktresors: Wenn man nicht atmen musste und es um die persönliche Sicherheit ging, brauchte man auch keine Löcher in die Wände zu schneiden. Dennoch musste ich ständig daran denken, was wohl geschehen wäre, hätte die Tür offen gestanden … hätte ich gerade meine Post vom Boden aufgehoben oder irgendetwas anderes. Das Risiko konnte ich nicht noch einmal eingehen.
Dieses Mal überlegte ich mir alles sehr gründlich: Ich brauchte eine uneinnehmbare Verteidigungsanlage, nicht nur eine einzige Riesentür mit einem Riesenschloss daran. Also ließ ich die Handwerker – von denen mich natürlich keiner je persönlich zu Gesicht bekam – das ganze Erdgeschoss umbauen und alle Wände durch Stahlschotts ersetzen sowie eine große Zahl neuer Schotts einziehen. Anregung dafür gaben mir die Festungen der mittelalterlichen Kreuzfahrer, sodass ich das Gaumont in drei separate Festungen verwandelte, die ineinander verschachtelt waren. Nur eine Tür verband die äußere Festung mit der mittleren und die mittlere mit der inneren. Alle anderen Türen hatten keine Riegel, Schlösser oder Griffe: Sie ließen sich unabhängig voneinander mithilfe eines computergesteuerten Systems öffnen und schließen, und als Erstes konfigurierte ich das ganze verdammte Ding als Slave des Hauptservers im Vorführraum. Die Überwachungskameras integrierte ich auch gleich. Es waren Dutzende, die so aufgestellt waren, dass es nicht einen toten Winkelgab. Ich konnte jeden Flurabschnitt und jeden Raum überprüfen und sicherstellen, dass sich niemand darin aufhielt, bevor ich die Türen öffnete.
Hm? Das hört sich an, als wäre es des Guten zu viel, oder? Nein, Schlauberger, keineswegs. Ich bedachte einfach nur alles bis ins Kleinste, das ist alles. Jede Festung kann zu einer Falle werden, und deshalb braucht jede Festung eine Hintertür. Meine Festung benötigte darüber hinaus auch einen Briefschlitz, denn für einige der Dinge, die ich online erledigte, brauchte ich schriftliche Dokumente, Bestätigungen, echte Unterschriften und nicht nur digitale. Es ist blödsinnig, aber es ist wahr: Manche Teile der Welt sind noch nicht auf die digitale Welle aufgesprungen und glauben nur, was sie auch in Händen halten können. Ha! Vielleicht ist das doch nicht so blödsinnig, wenn man mal genauer darüber nachdenkt.
Nachdem das alles erledigt war, konnte ich wieder in den höchsten Gang schalten und musste nicht mehr so sehr auf meine persönliche Sicherheit achten. Und ich schaltete in den höchsten Gang, das können Sie mir glauben.
Um die Wahrheit zu sagen, ich versank völlig darin. Ich muss wohl eine Woche oder mehr ununterbrochen mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit von einer Devisenbörse zur nächsten gehüpft sein. Kennen Sie diese Radrennbahnen, in denen die Fahrer fast horizontal an den schrägen Wänden entlangfahren? Tja, so war’s bei mir. Das Einzige, was verhinderte, dass ich den Boden berührte, war meine unglaubliche Geschwindigkeit. Schön und gut, solange man nie langsamer wird.
Doch ich wurde langsamer.
Es begann so unterschwellig, dass ich es noch nicht einmal bemerkte. Ich verpasste hier eine Kurssteigerung, war dort bei einem Deal zu langsam. Es waren keine großen Sachen, die auch nicht miteinander in Zusammenhang standen. Noch immer schnitt ich als Bester ab und hatte alles unter Kontrolle. Ich brauchte ein paar Tage, um zu erkennen, dass ich alles zu sehr unter Kontrolle hatte, dass ich Dinge tat, ohne dabei etwas zu spüren, und bewusste Entscheidungen traf, statt mich von meinem Instinkt leiten zu lassen.
Ich beendete alle Aktionen, zog mein Geld ab und loggte mich aus. Eine Weile saß ich schweigend da und starrte auf die Bildschirme.Tiefe Trauer erfasste mich und – es ist mir egal, wenn sich das dumm anhört – das Gefühl eines schmerzlichen Verlusts. Nicky Heath war tot. Diese Tatsache wurde mir erst jetzt klar.
Wenn man einmal aufhört, fängt man nie wieder an, so lautet meine goldene Regel. Doch ich sah mich einfach nicht in der Lage, die Tastatur zu bedienen. Ich hatte Angst, es zu vermasseln, hatte Angst, auf einem Felsen aufzusetzen, den ich schon einen Kilometer vorher gesehen hätte, besäße ich ein funktionierendes Hormonsystem. Ich hatte keine Drüsen mehr.
Ich denke, dass ich die Geräusche in den Wänden wohl schon eine Weile vorher gehört haben muss – Klopfen, Hämmern, Kratzen. Geräusche, die nicht durch die Entfernung gedämpft wurden, sondern durch das dicke Mauerwerk und die
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