The New Dead: Die Zombie-Anthologie
Pawlowscher Hund.
Sie schlang das Essen herunter, als hätte sie seit der Thatcher-Ära kein Brot mehr gesehen. Es war ein verdammt unappetitlicher Anblick, und so schaltete ich die Überwachungskamera aus und überließ sie eine Weile sich selbst.
Das nächste Mal, als ich nach ihr schaute, hatte sie ihre Mahlzeit beendet. Der Boden war übersät mit leeren Verpackungen, Apfelresten und einer leeren Saftflasche. Die Frau hatte die Kamera entdeckt und starrte sie an, als rechnete sie damit, dass sie jeden Moment anfangen würde, mit ihr zu reden. In der Tat hätte ich das tun können, wenn ich den Wunsch dazu verspürt hätte: Die Kameras waren standardmäßig mit Lautsprechern ausgestattet. Doch es gab nichts, was ich ihr hätte sagen wollen. Sie sollte essen, trinken, sich waschen und sich herrichten und dann endlich verschwinden.
Waschen. Okay. Ich bestellte noch einige Lebensmittel und fügte der Einkaufsliste Seife und Shampoo hinzu sowie einen Eimer. Das nächste Mal, als ich sie mit Essen versorgte, stellte ich sowohl Wasser zum Trinken als auch zum Waschen hin, aber sie begriff den Wink nicht, vielleicht weil das Wasser kalt war. Zu dumm! Ich hatte keine Möglichkeit, es zu erhitzen; ich führte schließlich kein verdammtes Hotel.
Drei Tage verbrachte ich damit, sie aufzupäppeln. Am zweiten Tag ließ ich ihr ein Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial für ihre Finger da, aber auch diese Dinge beachtete sie ebenso wenig wie das Wasser, das ich ihr zum Waschen hingestellt hatte. Am dritten Tag gab ich ihr einen ähnlich nutzlosen Hinweis, indem ich ihr saubere Kleidung hinlegte, die ich online bei ASDA, einem anderen Supermarkt in Brentwood, bestellt hatte.
Okay, mein ungebetener Gast zeigte also nicht einmal ansatzweise ein gewisses Interesse für Körperhygiene. Ich weiß es nicht, aber vielleicht dient Dreck ja zur Kälteabwehr, wenn man auf der Straße lebt. Möglicherweise klebt die Unterhose nach einem Monat oder so am Körper fest, sodass man sie nicht mehr ausziehen kann. Abervielleicht auch nicht, denn irgendwie musste sie ja schließlich gewissen Bedürfnissen nachkommen. Als ich mich eingehender mit dem Gedanken beschäftigte, ging mir auf, dass es wahrscheinlich gut war, dass die Kameras eine so lausige Auflösung hatten. Denn jetzt, wo ich danach suchte, konnte ich die Ecke erkennen, die sie als Abort benutzte, und ich wollte das ganz bestimmt nicht deutlicher sehen.
Nun, das Entscheidende an der ganzen Geschichte war, dass sie nicht schlimmer aussehen durfte als vorher, wenn sie meine Festung verließ. Es war schließlich nicht meine Pflicht, sie besser aussehen zu lassen.
Am vierten Tag zeichnete ich einen Lageplan, aus dem deutlich zu ersehen war, wie sie zu dem Lüftungsrohr gelangte, und brachte ihn ihr zusammen mit dem Essen. Danach entriegelte ich das Schloss der Tür hinter ihr und auch aller anderen, die zum Ausgang führten.
Sie sah sich die Zeichnung an, während sie ihr Frühstück zu sich nahm, das aus einem Croissant und Aprikosenmarmelade bestand. Bis jetzt hatte sie immer nur Appetit auf Backwaren gezeigt und keinerlei Interesse an frischem Obst oder Müsli gehabt.
Nachdem sie ihr Frühstück beendet hatte, machte sie zu meiner Verblüffung keinerlei Anstalten, über die Türschwelle zu treten. Sie wischte sich den Mund mit einer hierfür bereitgelegten Serviette ab, ließ sie in den Wassereimer fallen – was mich jedes Mal aufs Neue aufregte, weil ich das verdammte Ding wieder herausfischen musste – und lehnte sich dann wieder gegen die Wand.
Was sollte das? Sie musste doch begreifen, dass ich ihr erlaubte zu gehen.
„Na los!“, brüllte ich den Monitor an. „Verschwinde. Du bist frei wie ein Vogel. Geh schon!“
Sie saß jedoch wieder in der für sie typischen Haltung mit gesenktem Kopf gegen die Wand gelehnt da und rührte sich nicht.
Spontan schaltete ich das Mikrofon an, das zur Überwachungsanlage gehörte. Ich hatte es noch nie benutzt, deshalb wusste ich nicht einmal, ob es überhaupt funktionierte, doch an der Schalttafel leuchtete ein Lämpchen auf, und die Frau riss den Kopf hoch, als hätte sie gerade etwas gehört – vielleicht ein Klicken oder eine leise Rückkopplung von den Lautsprechern.
„He“, sagte ich. „Was meinen Sie eigentlich, was Sie da machen? Zeit zu gehen, meine Dame.“
Sie blinzelte zweimal, wobei ihre Miene ein einziges Fragezeichen war. Doch sie ließ sich Zeit mit der Antwort, und als sie erfolgte, hatte sie nichts mit
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