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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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Brother-Staffeln, ihr Hass auf Supermodels und so weiter. Ich gab von Zeit zu Zeit ein Ich höre immer noch zu -Geräusch von mir, wenn es mir erforderlich erschien, und ließ ansonsten meine Verärgerung in ein paar erstklassige Fixgeschäfte einfließen.
    Es ging so weit, dass ich ein oder zwei Fragen einwarf, wenn sie tatsächlich mal eine Weile schwieg, um sie wieder zum Reden zu bringen. Fragen über sich selbst mochte sie nicht beantworten. Sie erzählte lediglich, dass sie wegen einer Sache, die zwischen ihr und ihrem Stiefvater vorgefallen war, als sie achtzehn wurde, auf der Straße lebte. Ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine gewalttätige, dramatische Sache gehandelt haben musste und ihr Stiefvater eindeutig den Kürzeren gezogen hatte.
    „Wollte er etwas von dir?“, fragte ich von echter – wenn auch nur geringfügiger – Neugier erfüllt.
    „Wahrscheinlich. Er kam eines Morgens, als ich gerade duschte, ins Badezimmer, und versuchte, zu mir unter die Dusche zu steigen.“
    „Das ist ziemlich apodiktisch“, gab ich zu.
    „Ziemlich was?“
    „Eindeutig. Unmissverständlich.“
    „Ja, stimmt. Deshalb zog ich ihm auch eins mit dem Duschkopf über, und dann lief ich weg.“
    „Nackt?“
    „Nein, Nick. Nicht nackt.“
    „Dann hast du also bekleidet geduscht?“
    Stille. „Ich bin nicht sofort weggerannt. Er fiel hin und stieß sich den Kopf an. Ich hatte genug Zeit, um mir meine Sachen zu schnappen.“
    Der Vorfall habe sich in Birmingham zugetragen, erzählte Janine mir, als wäre ich nicht längst darauf gekommen, welchen Dialekt sie sprach. Sie war am gleichen Tag mit dem Bus nach London gefahren in der Hoffnung, bei einer Freundin unterzukommen, die sich am Barnet College zur Visagistin ausbilden ließ. Doch die Freundin hatte sich gerade einen neuen Freund zugelegt und war nicht scharf auf ein solches Arrangement. Sie reichte Janine an ein anderes Mädchen weiter, beidem sie eine Weile auf dem Boden schlief. Doch nach kurzer Zeit kam es zu einem Streit über die Regeln betreffend die Benutzung des Badezimmers, und sie flog noch nach wenigen Tagen hochkant wieder raus.
    Ich begann allmählich zu begreifen, warum Janine der körperlichen Hygiene so wenig abgewinnen konnte.
    „Und was ist mit dir, Nick?“, fragte sie, nachdem wir uns ungefähr eine Woche lang miteinander über alles Mögliche unterhalten hatten. „Was machst du, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen?“
    „Tja“, meinte ich, „wenn du es so formulierst, Janine, lautet die Antwort: nichts.“
    „Ich kann hören, wie du da oben auf einer Tastatur herumtippst“, sagte sie. „Schreibst du an einem Buch?“
    „Ja“, log ich. „Ich schreibe ein Buch. Aber das tue ich nicht, um damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“
    „Warum nicht? Bist du schon reich?“
    „Ich bin schon tot“, sagte ich.
    Diese Antwort löste ein langes Schweigen aus. Das nächste Mal, als ich nach ihr sah, schlief sie.
    Am nächsten Morgen fragte sie mich, ob sie mich sehen könne.
    „Die Kameras funktionieren nur in einer Richtung“, erklärte ich.
    „Ich meinte nicht über die Kameras. Ich meine von Angesicht zu Angesicht.“
    „Ich werde darüber nachdenken“, log ich.
    Janine ließ sich nicht von dieser Idee abbringen: Sie brachte sie jeden Abend als Letztes zur Sprache, wenn ich mich ausloggte und die Gewinne einlöste. Ich reagierte stets ausweichend, woraufhin sie in ein eisiges Schweigen verfiel, was verdammt nervig war. Ich sagte Gute Nacht und bekam keine Antwort: Jeden Abend legte sie sich in einen Mantel verletzten Schweigens gehüllt schlafen.
    Am Ende passierte es mir versehentlich – na ja, fast versehentlich, sollte ich wohl sagen. Als ich eines Morgens die Türen entriegelte, um ihr eine Ladung Essen zu bringen, legte ich einen Schalter zu viel um. Sie wartete bereits auf mich, als ich um die Ecke kam, und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre Haltung drückte Eigensinn und Unnachgiebigkeit aus. Das Verrückte ist, dass ich irgendwie schon wusste, dass ich die letzte Tür geöffnet und somitden einzigen noch vorhandenen Schutzwall zwischen uns entfernt hatte. Ich dachte einfach nicht darüber nach, bis wir uns Auge in Auge gegenüberstanden und es zu spät war, mich zurückzuziehen.
    Eine lange Zeit betrachtete sie mich schweigend. Schließlich, wie in Zeitlupe, verzog sich ihr Gesicht zu einer Miene des Schreckens. „Du siehst entsetzlich aus“, sagte sie leise.
    „Herzlichen Dank“, erwiderte ich

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