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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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etwas unpassend, wie ich zugeben muss. „Du sagst immer so verdammt nette Sachen.“
    Meine Bemerkung ließ sie kurz auflachen; ein Laut, der ihr beinahe gegen ihren Willen entschlüpfte. Sie kam ein paar Schritte auf mich zu, blieb wieder stehen und schnupperte vorsichtig.
    „Was ist das für ein seltsamer Geruch?“, wollte sie wissen.
    „Welcher? Ich vereine viele verschiedene Düfte in mir.“
    „Es ist irgendetwas … Antiseptisches oder so.“
    „Wahrscheinlich Formaldehyd. Ich bin von innen und außen eingelegt, Janine. Darum rieche ich auch nicht nach verdorbenem Fleisch.“
    „Danach riechst du auch.“
    Dagegen verwahrte ich mich wie ein junger Kerl, dem man vorwarf, einen unangenehmen Körpergeruch zu verströmen. „Das tue ich nicht“, erwiderte ich. „Ich habe verdammt viel dafür tun müssen, damit ich nicht …“
    Janine machte eine Geste, die mich zum Schweigen brachte. Eine Art Pantomime, bei der man die Arme hochreißt, um sich zu ergeben, nur dass sie ihre Arme gerade mal einige wenige Zentimeter hochbekam. „Es tut mir leid“, erklärte sie. „Du hast Recht. Du riechst nicht nach verdorbenem Fleisch. Du siehst nur so aus, als würdest du danach riechen. Deine Haut ist ganz wächsern und verschwitzt, und ich kann mehrere Stiche an deinem Hals erkennen.“
    Meine Halsschlagader war eine der Stellen, an denen ich bei meinem Kampf gegen die Verwesungsprozesse einen Trokar eingesetzt hatte, um meine Körperflüssigkeiten ablaufen zu lassen. „Bring mich nicht in Rage“, riet ich ihr.
    Also hielt sie sich zurück.
    „Zeig mir, wo du wohnst“, schlug sie stattdessen vor.
    Sie blieb ungefähr eine Stunde bei mir. Wegen der Kälte hatte sie sich drei Jacken übergezogen. Schließlich kehrte sie in ihren totenWinkel zurück – Trautes Heim, Glück allein – und verbrachte den Rest des Tages damit, sich Filme anzuschauen. Vor allem Musicals hatten es ihr angetan: Für sie war es wohl ein Eintauchen in die Welt der Lebenden, und genau das brauchte sie jetzt, um das Gefühl zu haben, dass es wirklich noch Menschen gab, die lebten.
    Am nächsten Tag kaufte ich ihr mehrere Wärmflaschen, und so konnte sie länger bei mir bleiben. Mich störten die Wärmflaschen nicht, solange sie sie unter ihren Jacken verstaute, sodass die Wärme direkt an ihrer Haut blieb. Die Thermostate waren nach wie vor auf dieselbe Temperatur eingestellt, sodass der Raum sich nicht erwärmte, und sie kam mir nicht so nahe, dass die Wärme zum Problem hätte werden können.
    Ich glaube, das war der erste Tag, an dem ich vergaß, sie wieder einzusperren, und nachdem ich es einmal vergessen hatte, wäre ein Rückfall in die alten Gewohnheiten für sie wie ein Schlag ins Gesicht gewesen – als hätte ich es mir anders überlegt und würde ihr nun nicht mehr vertrauen.
    Diese Überlegung zog alle möglichen anderen Gedanken nach sich, denn sie deutete darauf hin, dass ich ihr in der Tat vertraute. Eigentlich konnte ich keinen Grund dafür erkennen. Damals, als ich noch lebte, hatten Leute wie sie bei mir eine leichte Übelkeit hervorgerufen, gepaart mit einer gehörigen Portion Verachtung, was ein unangenehmes Gefühl auslöste, das sich am besten mit Mir ist Gott gnädig umschreiben ließ.
    Aber Gott kannte keine Gnade, und ich habe weder die Zeit noch die Geduld, irgendeiner lahmen Ente in der Not beizustehen. Ich will es mal so ausdrücken: Wenn ich einer lahmen Ente begegne, dann mache ich Ente à l’orange aus ihr.
    Also, was zum Teufel war hier los?
    Anfangs rechtfertigte ich mich noch mit den Gewinnen, die ich einstrich. Janine sorgte dafür, dass ich wieder etwas fühlte, als würde mein Hormonsystem wieder wie in früheren Zeiten arbeiten. Das gab mir viel von meinem gewohnten Biss zurück. Doch so stichhaltig diese Erklärung auch sein mochte, war sie letztlich nichts als Blödsinn. Nach ungefähr einer Woche verbrachte ich mehr Zeit mit ihr als mit meinen Börsenaktivitäten. Nach zwei Wochen machte ich mir nicht einmal mehr die Mühe, mich einzuloggen.
    Zu diesem Zeitpunkt begann ich sogar Verluste einzufahren, weil ich ihr alles Mögliche kaufte. Es waren noch nicht einmal Sachen, die sie zum Leben benötigte, sondern Pralinen, Bier, Donuts und – ich schwöre bei Gott – ein verdammter Hut.
    Sie denken jetzt wahrscheinlich, dass sexuelle Motive mich dazu veranlassten. Janine dachte das mit Sicherheit auch. Bei dem letzten teuren Schnickschnack, den ich ihr präsentierte – sozusagen der Tropfen, der das

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