The New Dead: Die Zombie-Anthologie
heutiger Tauchpartner war wie immer Wesley Evans, der verheiratet war und in Tenants Harbor lebte. Seit mehr als zehn Jahren waren die beiden Männer Tauchpartner. Außerhalb des Wassers sprachen sie kaum miteinander, wahrscheinlich weil sie so daran gewöhnt waren, sich unter Wasser mit Handzeichen zu verständigen. Doch sie konnten einander blind vertrauen und waren ein gutes Team, obwohl es Jeff schon seltsam fand, dass sie nach Dienstschluss nie etwas zusammen unternahmen.
Sobald er und Wes ihre Vorbereitungen abgeschlossen hatten, nickten sie einander zu und gingen über Bord. Sogar noch im Juni war das Meerwasser kalt, aber der Taucheranzug schützte sie vor dem Kälteschock. Eine Welle traf Jeff ins Gesicht, und ein belebender Schauer durchfuhr ihn. Nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass der Atemregler einwandfrei funktionierte, schwamm er zu seiner Boje hinüber und griff nach dem Seil, das er gestern daran festgemacht hatte. Er ließ es durch die mit einem Gummihandschuh bedeckte Hand laufen, als er Schwung nahm, untertauchte und sich in die Dunkelheit hinabsinken ließ. Wes folgte dicht hinter ihm. Das Tageslicht ging rasch in ein Schimmern über, das schließlich von einer pechschwarzen Dunkelheit abgelöst wurde. Jeff und Wes knipsten ihreTaucherlampen an, die die Umgebung mit ihrem diffusen Schein erhellten.
Abwärts … immer weiter abwärts, und je tiefer sie tauchten, desto stärker wurde die unbestimmbare Angst, die Jeff erfüllte. Er wusste, was sie am Ende des Seils erwartete, und er fürchtete sich davor. Jeff fragte sich, ob er es ertragen würde, noch einmal den leeren Blick dieses toten Mannes zu sehen. Im Laufe der Nacht und vor allem nach dem Gespräch mit Pappy war seine Erinnerung an die Leiche noch lebhafter geworden. Er versuchte, sich geistig auf das vorzubereiten, was er dort unten sehen würde, aber trotzdem schrak er zusammen, als der Ertrunkene schließlich vor ihnen auftauchte.
Jeff zögerte und hielt sich etwa einen Meter über dem Meeresboden. Wes schwamm an seine Seite, und die beiden Männer warfen einander einen langen Blick zu, ohne dass einer der beiden einen Vorschlag machte, was nun unternommen werden sollte. Jeff meinte einen Anflug von Verwirrung in den Augen seines Tauchpartners zu bemerken, und er spürte plötzlich das drängende Verlangen, wieder aufzutauchen und mit Wes zu sprechen, bevor sie weitermachten. Er wollte ihn auf das vorbereiten, was er zu sehen bekommen würde.
Doch der Moment verging, ohne dass sie sich miteinander ausgetauscht hätten, und sie ließen sich bis zum Meeresboden absinken. Durch ihre Bewegungen wurde Sand aufgewühlt, der sich zu dunklen Wolken verwirbelte, in denen schimmernde Flocken aus Kieselerde schwebten, die im Strahl ihrer Taucherlampen umhertanzten.
Mit eiserner Willenskraft zwang Jeff seinen Herzschlag, sich zu verlangsamen, während er den Lichtstrahl seiner Lampe über den Ertrunkenen gleiten ließ, bis er die Kette fand, die um den Bauch des Mannes geschlungen war. Er konnte sich nicht dazu überwinden, nach den Augen des Mannes zu sehen. Noch nicht … Mit einem Nicken und einer raschen Geste bedeutete Jeff seinem Tauchpartner, dass ihre erste Aufgabe darin bestand, die Kette von dem Betonblock zu lösen, doch aus irgendeinem Grund brachte Jeff es nicht über sich, sich der Leiche weiter zu nähern. Er wurdedas unheimliche Gefühl nicht los, dass der Mann ihn durch die Dunkelheit hindurch anschaute.
Jeff zuckte zurück, als er den Strahl seiner Taucherlampe umherschweifen ließ, um dem Mann ins Gesicht zu leuchten. Er sagte sich, dass es eine Sinnestäuschung gewesen sein musste, hervorgerufen durch das Spiel von Licht und Schatten, oder dass sich der Kopf des Mannes ganz leicht in der Strömung bewegte. Vielleicht war es auch etwas anderes gewesen. Doch was auch immer es war, Jeff war überzeugt, dass ihm der trübe, leere Blick des Toten folgte.
Wes hatte sich ein wenig von der Leiche entfernt und untersuchte den Betonblock, an dem die Kette befestigt war. Der Block war tief in den Sand eingesunken. Als er die Kette anhob und an ihr rüttelte, wurden die Schallwellen, die das dumpfe Rasseln der Kettenglieder erzeugte, vom Wasser übertragen. Jeff warf seinem Tauchpartner einen kurzen Blick zu, doch dann sah er wieder den Ertrunkenen an.
Seine Angst steigerte sich beständig und grenzte beinahe schon an Panik. Er rief sich ins Gedächtnis sich, dass es gefährlich war, unter Wasser die Konzentration zu
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