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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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hören konnte. Der größte Teil von mir war drinnen – mit Geshe tief versunken im Erleben des Todes.
    Ich konnte ihn spüren, Onkel Edward, und in gewisser Weise konnte ich sehen, was er sah, hören, was er hörte, obwohl das eigentlich nicht die richtigen Worte sind, um das zu beschreiben, was ich erlebte. Während die Stimmen von Menschen, die ich nicht kannte, um uns herum hallten – die meisten stammten wohl von Geshes Freunden, Verwandten und Menschen, die er geliebt hatte, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er viele Feinde hatte –, reisten er und ich gemeinsam durch einen nebligen Wald. Ein wenig erinnerte er mich an die Wildnis des pazifischen Nordostens, dochalles war noch gebirgiger, als würde auch ein wenig von Geshes tibetischer Herkunft mit einfließen.“
    „Klettern“, sagte Edward Arvedson mit ruhiger Stimme.
    „Ja, diesen Teil der Reise im Jenseits nennen die Ägypter ‚die Leiter‘, und bei den Azteken war es der Beginn der vierjährigen Reise der Seele nach Mictlan. Ich hatte es noch nie gewagt, die Verbindung zu einer sterbenden Seele so lange aufrechtzuerhalten wie bei Geshe, und so tief vorzudringen ängstigte mich, doch seine ruhige Kraft machte es möglich. Wir sprachen natürlich nicht miteinander – seine Reise, seine Begegnungen gehörten nur ihm, wie es bei jedem von uns eines Tages sein wird –, aber ich spürte ihn an meiner Seite, als die Finsternis nahte.
    Ich werde dir nicht von allem berichten, was ich dann erlebte, doch eines Tages in nicht allzu weiter Ferne werde ich es nachholen, denn es war die Erfüllung eines Forschertraums, den Tod aus erster Hand mitzuerleben. Um es kurz zu machen: Wir schritten durch die erste Dunkelheit und sahen das erste Licht, das die Bardos das weiße Licht der Götter nennen. Sie empfehlen der toten Seele, dieses zu meiden. Es besaß eine große Anziehungskraft … wie ein wärmendes Feuer, das alle anlockt, die sich in der Dunkelheit verirrt haben. Mir war sehr kalt, und ich war weit entfernt davon, Wohlbehagen und Vertrautes zu empfinden – und vergiss nicht: ICH hatte einen Körper, um zurückzukehren! Ich kann nur erahnen, wie es wohl auf Geshe wirken musste, für den es ja eine Reise ohne Wiederkehr war. Aber er widerstand der Versuchung. Das Gleiche passierte bei dem, was die Bardos das „rauchfarbene Licht der Höllenwesen“ nennen. Ich spürte, dass er sich davon angezogen fühlte, und sogar auf mich hatte es eine angenehme, tröstende Wirkung. Nach der alten Vorstellungswelt der Tibeter sind die heißen Höllen voller Schrecken – Wälder, deren Bäume rasiermesserscharfe Blätter haben, Sümpfe voller verwesender Leichen –, doch diese erblickt man erst, wenn es bereits zu spät ist, wenn Neid und Hass die sterbende Seele vom Pfad haben abkommen lassen.
    Geshe überwand diese Versuchungen und ging weiter auf das strahlendere Licht der Urweisheit zu. Er war tapfer, Edward, sotapfer! Doch dann erschien uns das strahlenlose, gelbe Licht der pretas , wie sie im Bardo genannt werden …“
    „Die Hungergeister.“
    „Ja, die Hungergeister. Man findet sie in beinahe jeder Überlieferung der Menschen. Jene, die nicht weitergehen. Jene, die nicht von Wut, Hass, Besessenheit ablassen können …“
    „Vielleicht einfach diejenigen, die mehr vom Leben verlangen“, schlug Arvedson vor.
    Nightingale schüttelte den Kopf. „Das lässt sie unschuldig erscheinen, doch davon sind sie weit entfernt. Leichenfressende jikininki , altrömische Lemuren, die Grigori aus dem Buch Henoch – in fast jeder Überlieferung gibt es sie. Zum Teufel, ich bin ihnen begegnet ! Zwar nie wie hier in ihrem eigenen Hinterhof, aber du erinnerst dich doch noch an dieses Wesen, das mich in Freiberg fast umgebracht hätte, oder?“
    „Aber gewiss doch.“
    „Das war einer von ihnen, der sich in einem lebenden Körper eingenistet hatte. Er hätte mir den Kopf abgerissen, wenn ich nicht geflüchtet wäre. Die Narben habe ich noch immer.“
    Die nächtliche Stadt verharrte abwartend im immer wieder an Stärke zunehmenden und nachlassenden Unwetter. Einen Moment lang war es so still, dass Nightingale das Brummen des Gebläses am Beatmungsgerät seines Patenonkels hören konnte.
    „Auf jeden Fall flößte mir das strahlenlose gelbe Licht Angst ein. Das Bardo sagt, dieses Licht sei die Versuchung selbst aber vielleicht übte es keinen Reiz auf mich aus, weil ich nicht starb. Stattdessen löste es bei mir nur Angst und Übelkeit aus, wenn einem denn ohne

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