The New Dead: Die Zombie-Anthologie
überhaupt zu wissen. Denn von tausend Menschen, die eine Überschrift lesen wie ‚Sogenannter Dämonenjäger behauptet, die Toten würden ins Reich der Lebenden einfallen‘ und darüber lachen, weil sie es für Unsinn halten, werden ein oder zwei wissen, was gemeint ist, und die Warnung ernst nehmen.“ Er trat ans Fenster und schaute in dieDunkelheit hinaus. „Wir können nur hoffen, dass es uns gelingt, diese hungrigen Geister in Schach zu halten, selbst wenn sich jeder echte Erforscher des Paranormalen, jeder Exorzist und jeder uns wohlgesinnte Priester, den wir erreichen, uns anschließt. Du weißt schon, jeder Sammler, jeder Gelehrte, der sich mit dem Verborgenen beschäftigt, jeder Kenner des Okkulten, all diese Soldaten des Lichts, die vom Rest der Gesellschaft für verrückt gehalten werden. Das wird unser großer Krieg sein.“
Nightingale wandte sich um und kehrte zu seinem Sessel zurück. „Jetzt weißt du’s, Onkel Edward. Ich werde es verbreiten, und du ebenso. Fordere alte Gefälligkeiten ein. Wenn viele unserer Mitstreiter die Wahrheit erfahren, werden wir vielleicht noch in der Lage sein, die Sturmtür wieder zu schließen.“
Der alte Mann verharrte in einem langen Schweigen. Das Gewitter entfernte sich.
„Du bist ein tapferer junger Mann, Nate“, meinte er schließlich. „Deine Eltern wären stolz auf dich. Ich werde eine Weile darüber nachdenken müssen, wie ich dir am besten helfen kann, und auch wenn es mir peinlich ist, es zu gestehen: Ich brauche ein wenig Ruhe. Verzeih mir! Ich werde so schnell müde. Es wird mir wieder gut gehen, wenn Jenkins in ein paar Stunden zurück ist. Du findest allein hinaus, nicht wahr?“
„Natürlich, Onkel Edward.“ Nightingale ging zu dem alten Mann und umarmte ihn kurz. Dann küsste er seine kühle, trockene Wange und trug sein leeres Sherry-Glas zur Anrichte zurück. „Da ich jetzt wieder in der Stadt bin, werde ich dich morgen besuchen kommen. Gute Nacht.“ Auf dem Weg zur Tür blieb Nightingale stehen und hielt seine Finger in das Licht der Schreibtischlampe. Staub haftete an seinen Fingerspitzen.
„Sag Jenkins, dass er nachlässig wird“, meinte er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ihm früher einen Abend freigegeben hättest, bevor er mit dem Putzen fertig war. Es sieht so aus, als hätte er seit Wochen nicht mehr Staub gewischt.“
„Ich werd’s ihm sagen“, erwiderte sein Patenonkel. „Und jetzt geh. Wir sehen uns ja bald wieder.“
Doch Nightingale verließ den Raum nicht. Er drehte sich um und kam langsam wieder zurück. „Onkel Edward“, sagte er. „Bist du dir sicher, dass du alleine zurechtkommst? Ich meine … der Strom ist noch immer ausgefallen. Ohne dein Beatmungsgerät bekommst du keine Luft.“
„Der Generator kann stundenlang laufen. Er schaltet sich automatisch ab, sobald der Strom wieder da ist.“ Unwirsch wedelte er mit der Hand. „Nun geh schon, Nate. Mir geht’s gut.“
„Aber eine Sache ist merkwürdig“, meinte Nightingale. „Als der Generator vor einer halben Stunde ansprang, schaltete sich das Beatmungsgerät nicht wieder ein. Irgendetwas stimmt damit nicht.“
Arvedson wurde ganz ruhig. „Wovon … wovon sprichst du?“
„Hier, schau mal! Die kleinen Kontrollleuchten sind nicht wieder angegangen. Dein Beatmungsgerät ist aus.“
Im Raum war es plötzlich ganz still, nur in der Ferne hörte man die Autos durch die regennassen Straßen fahren.
„Was ist mit Edward geschehen?“
Der alte Mann sah ihn überrascht an. „Ich verstehe nicht … Nate, was meinst du damit?“
Nightingale hielt eine Pistole, die er aus der Jackentasche gezogen hatte, in der Hand. Er richtete sie auf einen Punkt zwischen den buschigen weißen Augenbrauen des alten Mannes. „Ich habe gefragt, was mit Edward geschehen ist, dem echten Edward Arvedson. Diese Frage werde ich nur noch einmal wiederholen. Ich schwöre bei Gott, dass ich ihn eher töte, als dir seinen Körper zu überlassen, und ich wette, du kannst deinen kleinen Trick nicht bei einem ausgewachsenen, gesunden Mann wie mir anwenden und Besitz von meinem Körper ergreifen, bevor ich den Abzug gedrückt habe.“
Selbst im dämmrigen Lichtschein der Schreibtischlampe war die Veränderung furchteinflößend: Edward Arvedsons faltige Züge veränderten sich nicht so sehr, doch unter den Muskeln und der Haut bewegte sich etwas wie ein lichtscheues Wesen, das sich durch die dunkle Erde wühlt. Die Augen richteten sich auf Nightingale. Es war zwar
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