The New Dead: Die Zombie-Anthologie
Ruggers Richtung. Er sah mich ebenfalls an, doch sein Gesichtsausdruck war jetzt ein anderer. Er wirkte wie jemand, der zusieht, wie ein Hund vor einem Riesenlaster über den Highway rennt, und sich fragt, wie es wohl ausgehen wird. Ich dachte, dass er vielleicht hoffte, ich würde es schaffen. Als er und mein Vater Kids gewesen waren, hatten sie einmal Seite an Seite auf einem Ölfeld gekämpft. Dieser Kampf war mittlerweile fast zu einer Legende geworden, vergleichbar mit den Indianergeschichten, wie sie von Marvel erzählt werden. Rugger und Dad gegen sechs andere. Sie hatten gewonnen, und zwar mit Stil, da sie zwei ihrer Gegner ins Krankenhaus schickten. Über meinen Dad bestand dadurch wohl so etwas wie eine Beziehung zwischen mir und dem alten Mann, obwohl ich im Rückblick sagen muss, dass er gar nicht alt war. Wahrscheinlich war er damals Mitte vierzig, mit schütter werdendem Haar, einem kugelförmigen Bierbauch, Armen, die wie aufgepumpt aussahen, und Beinen, die zu dünn und zu kurzschienen, um seinen massigen Oberkörper tragen zu können, kurz: ein Fass auf Stelzen.
Dieser Gedanke und Donalds Zweifel passten mir nicht und heizten meine Streitlust an. Ich wollte gerade etwas Schlagfertiges zu Ray Martin sagen, als die Tür sich öffnete und ein Mann um die dreißig hereinkam. Er trug khakifarbene Hosen, ein kariertes Hemd, eine Jeansjacke und Schnürstiefel und war so dunkel, wie Ray Martin blond und hellhäutig war. „Wie geht’s, Leute?“, sagte er. Er hörte sich wie jemand an, der gerade das erste Mal seine Farm verlassen und noch den Dreck unter den Nägeln hatte. Ich schaute durch die mit einer Scheibe und einem hochgezogenen Rollo versehene Eingangstür und sah am Straßenrand einen glänzenden neuen Chevrolet Impala stehen. Es war nicht die Sorte Auto, die man bei ihm erwartet hätte, aber es war eindeutig seins.
Rugger nickte ihm zu, und der Typ sagte: „Ob Sie mir wohl sagen können, wie ich zur Tyler komme?“ Rugger erklärte es ihm, und nun fragte der Bauerntölpel: „Kann ich hier auch was zu essen bekommen?“
„’n paar Sorten Kartoffel-Chips und Erdnüsse“, erwiderte Rugger. „Wir braten hier keine Hamburger oder so was. Und da hinten hab ich ’nen Getränkeautomaten stehen.“
„Dann werde ich wohl nur eine Tüte Erdnüsse nehmen.“
Rugger ging zum Regal und nahm eine Packung Erdnüsse heraus, die der Bauerntölpel sofort bezahlte. Dann trat er an den Getränkeautomaten, warf eine Münze in den Geldschlitz, hob den Deckel an, griff in das eiskalte Wasser und zog eine Cola durch das Metallgitter, in das die Flasche rutschte, nachdem man das Geld eingeworfen hatte. Diese Automaten sieht man heutzutage nicht mehr, aber in den Sechzigern waren sie eine Zeit lang recht beliebt.
Er entfernte den Kronkorken mit dem an der Seite der Truhe angebrachten Öffner, wandte sich um und sagte: „Geht doch nichts über eine in einem Laden gekaufte Co-Cola!“ Als gäbe es eine andere Sorte! Er stürzte die Hälfte des Flascheninhalts in einem Zug hinunter, setzte die Flasche ab und wischte sich mit dem Ärmel überden Mund. Nun riss er die Erdnusspackung mit den Zähnen auf und schüttete sie in die Cola-Flasche. Das Salz ließ die Limonade ein wenig schäumen. Er nahm wieder einen Schluck, kaute auf den feuchten Erdnüssen und kam dann näher, um uns eine Weile beim Spielen zuzusehen.
„Ich habe das schon mal gespielt“, meinte er und präsentierte mir die Erdnussstücke, die zwischen seinen Zähnen hängen geblieben waren.
„Ah“, sagte ich. „Nun, unser Tisch ist leider voll.“
„Das sehe ich. Jawohl. Ich sag ja nur, dass ich weiß, wie man’s spielt. Mein alter Herr hat’s mir beigebracht. Ich mag es, und ich bin auch ziemlich gut.“
„Tja, schön für Sie“, erwiderte ich. „Hat Ihr alter Herr Ihnen nicht beigebracht, dass man Leute nicht stören soll, wenn sie spielen?“
Er lächelte, sah jedoch auch ein wenig verletzt aus. „Ja, hat er. Tut mir leid.“
„He, Sie“, rief Ray Martin.
Wir schauten alle auf.
“Wolln Sie ’n bisschen Pool spielen?”, fragte er den Dorftrottel. „Ich spiel eine Partie mit Ihnen.“
„Klar, will ich“, erwiderte der Fremde und zuckte die Schultern. „Aber ich warne Sie: Manchmal spiel ich gern um ’nen Nickel oder so.“
Ray Martin verzog seine rasiermesserdünnen Lippen zu einem breiten Grinsen und entblößte seine Würfelzuckerzähne. „Das ist in Ordnung, Bauerntrampel. Dann spielen wir mal um ‚oder so‘,
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