The Stand. Das letze Gefecht
dabei war der Pferdeanhänger umgestürzt. Er hatte nicht aufgepaßt, und jetzt fuhr er mit der Harley direkt darauf zu.
Er riß die Maschine nach rechts, sein neuer Stiefel schleifte über die Straße, und er hatte es fast geschafft, aber die linke Fußraste verhakte sich an der hinteren Stoßstange des Hängers und riß das Motorrad unter ihm weg. Larry landete mit einem Aufprall, der jeden Knochen erschütterte, auf der Standspur. Die Harley tuckerte noch eine Weile und ging dann aus.
»Alles in Ordnung?« fragte er laut. Gott sei Dank war er nur etwa zwanzig gefahren. Gott sei Dank war Rita nicht bei ihm, sie wäre vor Hysterie wieder ausgerastet. Allerdings hätte er auch nicht dort hoch gesehen, wenn Rita bei ihm gewesen wäre, er hätte ADWG - »auf den Weg geachtet«, für die Abkürzungsfetischisten unter euch.
»Alles in Ordnung«, beantwortete er seine Frage, war aber nicht ganz sicher. Er richtete sich auf. Die Stille wurde ihm wieder bewußt; es war so still, daß man verrückt werden konnte, wenn man darüber nachdachte. Selbst Ritas Geschrei wäre in diesem Augenblick eine Wohltat gewesen. Plötzlich schienen überall Sterne hell aufzublitzen, und er glaubte voll Entsetzen, daß er das Bewußtsein verlieren würde.
Er dachte: Ich bin verletzt. In einer Minute, wenn der Schock abgeklungen ist, werde ich es spüren. Ich habe schlimme Schnittwunden, oder so, und wer soll mir einen Druckverband anlegen?
Aber als der Schwächeanfall vorbei war, sah er an sich hinab und stellte fest, daß ihm doch nichts weiter passiert war. Er hatte sich beide Hände aufgerissen, und seine neue Hose war am rechten Knie zerfetzt - auch das Knie war aufgeschlagen -, aber es waren alles nur Kratzer, und was war schon dabei, verdammt, jeder schmeißt mal sein Motorrad hin, irgendwann passiert das jedem. Aber er wußte genau, was los war. Er hätte mit dem Kopf unglücklich aufschlagen und sich den Schädel brechen können, und dann hätte er hier in der heißen Sonne gelegen, bis er gestorben wäre. Oder er hätte an seiner eigenen Kotze ersticken können, wie eine gewisse, inzwischen leider verschiedene Freundin von ihm.
Er ging zitternd zur Harley hinüber und richtete sie auf. Sie schien nicht weiter beschädigt zu sein, sah aber jetzt anders aus. Vorher war sie nur eine Maschine gewesen, eine sehr schöne Maschine, die den doppelten Zweck erfüllte, daß sie ihn beförderte und er sich gleichzeitig wie James Dean oder wie Jack Nicholson in Hell's Angels on Wheels fühlen konnte. Aber jetzt schien das Chrom ihn anzugrinsen wie ein Jahrmarktsschreier, der ihn aufzufordern schien, doch raufzukommen und zu zeigen, ob er Manns genug war, das Monster mit den zwei Rädern zu reiten.
Beim dritten Versuch sprang sie an, und er fuhr im Schrittempo aus Bennington hinaus. Er trug Ringe aus kaltem Schweiß an den Armen, und nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so sehnlich wie in diesem Augenblick gewünscht, ein menschliches Gesicht zu sehen.
Aber an diesem Tag sah er keins mehr.
Am Nachmittag fuhr er etwas schneller, brachte es aber nicht über sich, das Gas weiter aufzudrehen, sobald die Tachonadel bei zwanzig Meilen stand, nicht einmal, wenn er sehen konnte, daß die Straße vor ihm frei war. Am Stadtrand von Wilmington fand er ein Sport- und Motorradgeschäft, hielt an und holte sich dicke Handschuhe und einen Helm, aber nicht einmal damit fuhr er schneller als fünfundzwanzig. An unübersichtlichen Kurven bremste er so stark ab, daß er die große Maschine praktisch schob. Er sah förmlich vor Augen, wie er bewußtlos am Straßenrand lag und verblutete.
Um fünf Uhr näherte er sich Brattleboro, und die Temperaturanzeige der Harley leuchtete rot auf. Larry hielt an und würgte sie mit gemischten Gefühlen von Erleichterung und Verdrossenheit ab.
»Hättest auch schieben können«, sagte er. »Sie ist für sechzig Stundenmeilen gedacht, Dummkopf!«
Er ließ sie stehen und ging zu Fuß in die Stadt, ohne zu wissen, ob er sie wieder holen würde.
In dieser Nacht schlief er unter dem Dach des Musikpavillons im öffentlichen Stadtpark von Brattleboro. Er legte sich hin, sobald es dunkel geworden war, und schlief fast auf der Stelle ein. Einige Zeit später weckte ihn ein Geräusch, und er schrak hoch. Er sah auf die Uhr. Die dünnen Radiumlinien auf dem Zifferblatt zeigten 11:20 Uhr. Er stützte sich auf einen Ellbogen und sah in die Dunkelheit, spürte den riesigen Musikpavillon ringsum und vermißte das kleine
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