The Stand. Das letze Gefecht
wolkige Murmeln hinter halb geschlossenen Lidern, und ihr Mund war voll grüner Kotze, an der sie erstickt war.
Er sah ihr, wie ihm schien, lange in das tote Gesicht. Sie waren fast Nase an Nase, das Zelt schien immer heißer zu werden, so heiß wie ein Dachboden an einem Augustnachmittag, bevor die kühlenden Gewitterschauer einsetzen. Sein Kopf schien immer mehr anzuschwellen. Ihr ganzer Mund war voll grüner Scheiße, und er konnte den Blick kaum abwenden. Die Frage, die in seinem Kopf kreiste wie das mechanische Kaninchen um eine Hunderennbahn, war: Wie lange habe ich hier neben ihr geschlafen, als sie schon tot war? Ekelhaft, Mann. Eeee-kelhaft.
Seine Erstarrung löste sich, er kroch aus dem Zelt und schürfte sich beide Knie auf, als er von der Zeltbahn auf den steinigen Boden kam. Er dachte schon, er müßte selber kotzen, und kämpfte dagegen an, er haßte Kotzen mehr als alles andere, und dann dachte er: Mann, ich bin doch reingegangen, um sie zu FICKEN! Und da kam ihm alles auf einmal hoch, und er kroch von der dampfenden Schweinerei weg und weinte und ekelte sich vor dem sauren Geschmack in Mund und Nase.
Er dachte fast den ganzen Morgen an sie. Er empfand eine gewisse Erleichterung darüber, daß sie gestorben war - eine sehr große sogar. Das würde er keinem Menschen je erzählen. Es bestätigte alles, was seine Mutter über ihn gesagt hatte und Wayne Stukey und sogar die dumme Pute mit ihrer Wohnung in der Nähe der Fordham University. Larry Underwood, der Blitzer von Fordham.
»Ich bin kein netter Kerl«, sagte er laut, und als er es gesagt hatte, ging es ihm besser. Es wurde jetzt leichter, die Wahrheit zu sagen, und die Wahrheit zu sagen, das war das allerwichtigste. Er hatte sich im Hinterstübchen seines Unterbewußtseins, wo die Mächte am Drücker schalteten und walteten, fest vorgenommen, auf sie achtzugeben. Vielleicht war er kein netter Kerl, aber er war auch kein Mörder, und was er im Tunnel getan hatte, kam einem versuchten Mord schon ziemlich nahe. Er wollte auf sie achtgeben, er wollte sie nicht mehr anschreien, ganz gleich, wie sehr er sich über sie ärgerte - zum Beispiel, wenn sie hinter ihm auf die Harley stieg und ihn dabei mit ihrem patentierten Kansas-City-Griff umklammerte -, er wollte nicht mehr wütend werden, wie sehr sie ihn auch aufhielt und wie dumm sie sich auch manchmal anstellte. Am Vorabend hatte sie eine Dose Erbsen in die Glut des Lagerfeuers gestellt, ohne ein Loch in den Deckel zu machen, und als er die Dose aus dem Feuer angelte, war sie schwarz und ausgeheult und wäre drei Sekunden später hochgegangen wie eine Bombe; sie hätten blind werden können, wenn ihnen die Blechfetzen in die Augen geflogen wären. Hatte er ihr Vorwürfe gemacht ? Nein. Hatte er nicht. Er hatte einen Witz gemacht und die Sache auf sich beruhen lassen. Genau wie mit den Tabletten. Die Tabletten waren ihre Sache, dachte er sich.
Vielleicht hättest du mit ihr darüber reden sollen. Vielleicht hat sie das gewollt.
»Es war schließlich kein romantisches Rendezvous zum Kennenlernen«, sagte er laut. Es ging ums Überleben. Aber sie hatte es nicht lassen können. Vielleicht hatte sie es gewußt, und zwar seit dem Tag, im Central Park, als sie mit einer billigen Zweiunddreißiger, die ihr in der Hand hätte hochgehen können, achtlos auf einen Zedrachbaum geschossen hatte. Vielleicht...
»Vielleicht Scheiße !« sagte Larry wütend. Er hob die Feldflasche zum Mund,; aber sie war leer, und er hatte noch immer diesen schleimigen Geschmack im Mund. Vielleicht gab es überall im Land Leute wie sie. Die Grippe verschonte nicht nur die Überlebenstypen, warum sollte sie auch? Vielleicht gab es in diesem Augenblick irgendwo im Land einen jungen Mann in perfekter körperlicher Verfassung, der immun gegen die Grippe war, aber gerade an einer Mandelentzündung starb. Wie Henny Youngman vielleicht gesagt haben würde, keine Bange, Leute, ich hab' 'ne ganze Million davon.
Larry saß an einem gepflasterten, malerischen Aussichtspunkt direkt am Highway. Der Blick über Vermont, das sich im goldenen Morgendunst nach New York hin erstreckte, war atemberaubend. Ein Schild wies darauf hin, daß dies der Zwölf-Meilen-Punkt war, aber Larry glaubte, viel weiter als zwölf Meilen sehen zu können. An einem klaren Tag konnte man unendlich weit sehen. Am entgegengesetzten Ende des Aussichtspunkts gab es eine kniehohe, zementierte Steinmauer, davor ein paar zertrümmerte Flaschen Budweiser. Und ein
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