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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Tom sagte, die Tür des Supermarktes war offen.
    Nick fragte sich müßig, was Tom wohl getan hätte, wäre sie nicht offen gewesen. Er vermutete, daß Tom seine Skrupel vergessen oder aus gegebenem Anlaß einmal außer acht gelassen hätte, wäre sein Hunger groß genug gewesen. Aber was sollte aus ihm werden, wenn die Vorräte aufgebraucht waren?
    Aber das bekümmerte ihn eigentlich nicht so sehr an Tom. Vielmehr war es der hilflose Eifer, mit dem der Mann ihn begrüßt hatte. Zurückgeblieben mochte er sein, dachte Nick, aber nicht so zurückgeblieben, daß er keine Einsamkeit verspürte. Seine Mutter und deren Freundin, die sich um ihn gekümmert hatte, waren beide tot. Sein Dad war schon lange abgehauen. Sein Arbeitgeber, Mr. Norbutt, und alle anderen in May hatten sich eines Nachts, während Tom schlief, alle heimlich nach Kansas City davongemacht und ihn, Tom, allein zurückgelassen, damit er wie ein einsamer Geist die Main Street auf und ab gehen konnte. Und jetzt machte er Sachen, die nichts für ihn waren - zum Beispiel Whiskey trinken. Wenn er sich wieder betrank, verletzte er sich vielleicht. Und wenn er sich verletzte und niemand da war, der sich um ihn kümmerte, wäre das möglicherweise sein Ende.
    Aber... ein Taubstummer und ein Mann, der geistig behindert war? Welchen Nutzen konnten sie schon füreinander haben? Ein Typ, der nicht sprechen, und einer, der nicht denken konnte. Nein, das war ungerecht, Tom konnte immerhin ein bißchen denken, aber er konnte nicht lesen, und Nick machte sich keine Illusionen, daß er es ziemlich bald satt haben würde, für Tom Cullen Pantomimen aufzuführen. Nicht, daß es Tom satt haben würde. Meine Fresse, nein.
    Auf dem Gehweg vor dem Eingang zum Park blieb er stehen und steckte die Hände in die Taschen. Nun, überlegte er, ich kann wenigstens die Nacht über bei ihm bleiben. Auf eine Nacht kommt es nicht an. Ich kann ihm wenigstens was Anständiges zu essen kochen.
    Davon ein wenig aufgemuntert, machte er sich auf die Suche nach Tom.

    Nick schlief in dieser Nacht im Park. Er wußte nicht, wo Tom schlief, aber als er am nächsten Morgen aufwachte, etwas feucht vom Tau, aber ansonsten in ausgezeichneter Verfassung, sah er, als er über den Platz ging, Tom gleich als allererstes; Tom hatte sich über eine Flotte Corgi-Spielzeugautos und eine große Texaco-Tankstelle aus Plastik gebeugt.
    Tom schien zu der Überzeugung gelangt zu sein, daß es nicht schlimm war, wenn er schon in Norton's Drugstore einbrach, auch anderswo einzubrechen. Er saß auf dem Bordstein vor dem Fiveand-Dime und hatte Nick den Rücken zugedreht. Etwa vierzig Modellautos waren an der Bordsteinkante aufgereiht. Daneben lag der Schraubenzieher, mit dem Tom den Schaukasten aufgestemmt hatte. Jaguar, Mercedes Benz, Rolls-Royce, ein maßstabgetreuer Bentley mit limonengrüner Motorhaube, ein Lamborghini, ein Cord, ein acht Zentimeter langer Pontiac Bonneville, eine Corvette, ein Maserati und, Gott behüte und beschütze uns, ein Moon Baujahr 1933. Tom hatte sich gebannt über sie alle gebeugt und fuhr mit einem nach dem anderen in die Tankstelle und wieder heraus, nachdem er sie an der Miniaturzapfsäule vollgetankt hatte. Nick sah, daß sich in der Werkstatt eine funktionsfähige Hebebühne befand; ab und zu schob Tom ein Auto dorthin, hievte es hoch und tat so, als würde er darunter etwas reparieren. Hätte Nick hören können, hätte er in der vollkommenen Stille die Laute von Tom Cullens Phantasie vernommen - das vibrierende brrrrr mit den Lippen, wenn er ein Auto auf den Asphalt von Fisher-Price fuhr, das tschk-tschk-tschk-dinngg ! der Zapfsäule, das Ssssssss, wenn die Hebebühne herauf und herunter fuhr. So bekam er nur Bruchstücke der Gespräche zwischen Tankstellenbesitzer und den winzigen Menschen in den winzigen Autos mit: Volltanken, Sir? Normal? Klar doch! Ich mach' Ihnen noch die Scheibe sauber, Ma'am. Ich glaube, es ist der Vergaser. Wollen die Kiste mal hochbocken und den Auspuff nachsehen. Toiletten? Klar doch! Gleich da um die Ecke!

    Und darüber, meilenweit in sämtliche Richtungen, der Himmel, den Gott für dieses winzige Stück von Oklahoma erschaffen hatte. 
    Nick dachte:  Ich kann ihn nicht zurücklassen. Das kann ich nicht. Und plötzlich überkam ihn eine bittere und völlig unerwartete Traurigkeit, eine so tiefgehende Empfindung, daß er einen Augenblick fürchtete, weinen zu müssen.
    Sie sind nach Kansas City gegangen, dachte er. Du hast recht, Tom. Sie sind alle

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