Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
die in den Sturmkeller der Scheune hinunterführte, spürte er eine seltsame, trommelnde Vibration. Sie war einem echten Geräusch näher, als er es jemals erlebt hatte. Gleich einem bohrenden Schmerz im Zentrum seines Gehirns. Und dann, als er Tom die Treppe hinunterfolgte, sah er etwas, das er sein ganzes Leben lang nie mehr vergessen sollte: Die Wand der Scheune wurde weggefetzt; Brett für Brett wurde herausgezogen und in die wolkenverhangene Luft gezerrt wie eine Reihe fauler Zähne, die von unsichtbaren Kräften herausgerissen wurden. Das Heu am Boden stieg wirbelnd gleich einem Dutzend Miniaturtornados empor, raste im Kreis, kippte, rotierte. Die pulsierende Vibration wurde noch beharrlicher, stärker. Dann riß Tom eine schwere Holztür auf und stieß ihn hinein. Nick roch feuchten Schimmel und Verfall. Im letzten Augenblick des Lichts sah er, daß sie sich den Sturmkeller mit einer Familie rattenzerfressener Leichen teilten. Dann schlug die Tür zu, und es herrschte völlige Dunkelheit. Die Vibration wurde schwächer, liess aber nicht einmal hier unten völlig nach.
    Panik stahl sich mit ausgebreitetem Mantel über ihn und hüllte ihn ein. In der Schwärze waren seine Sinneswahrnehmungen auf Geruch und Tastsinn beschränkt, aber keiner der beiden übermittelte Botschaften, die tröstlich waren. Er konnte das unablässige Vibrieren der Dielen unter seinen Füßen spüren, und es roch nach Tod. Tom umklammerte blind Nicks Hand, und Nick zog den geistig zurückgebliebenen Mann an sich. Er spürte Tom zittern und fragte sich, ob Tom weinte oder versuchte, mit ihm zu sprechen. Der Gedanke linderte seine eigene Angst ein wenig; er legte Tom einen Arm um die Schultern. Tom erwiderte die Geste; so standen sie aufrecht in der Dunkelheit und klammerten sich aneinander. Die Vibration unter Nicks Füßen wurde stärker; sogar die Luft auf seinem Gesicht schien jetzt zu zittern. Tom klammerte sich noch fester an ihn. Blind und taub wartete Nick darauf, was als nächstes passieren würde. Kurz schoß der Gedanke durch sein Hirn, daß er sein ganzes Leben in Finsternis und Stille hätte verbringen müssen, wenn Ray Booth auch das andere Auge erwischt hätte. Wäre das der Fall gewesen, überlegte Nick, hätte er sich wahrscheinlich schon vor Tagen eine Kugel in den Kopf gej agt und der Sache ein Ende gemacht.
    Später konnte Nick kaum seiner Uhr glauben. Sie bestand beharrlich darauf, daß er und Tom alles in allem nur eine Viertelstunde in dem Keller verbracht hätten. Also mußte es wohl so sein, da die Uhr einwandfrei funktionierte. Er hatte in seinem Leben noch nie so unmittelbar erfahren, wie subjektiv, wie dehnbar die Zeit wirklich ist. Ihm kam es so vor, als hätte es mindestens eine Stunde gedauert, eher sogar zwei oder drei. Und je mehr Zeit verging, desto mehr wuchs in ihm die Überzeugung, daß er und Tom nicht allein im Sturmkeller gewesen waren. Sicher, die Leichen - ein armer Teufel hatte seine Familie hier heruntergebracht, weil er wahrscheinlich gedacht hatte, sie hatten hier andere Naturkatastrophen überstanden und könnten auch diese überstehen -, aber Nick meinte nicht die Leichen. Für Nick war ein Leichnam inzwischen nur eine Sache, nichts anderes als ein Stuhl oder eine Schreibmaschine oder ein Teppich. Ein Leichnam war nur ein lebloser Gegenstand, der Platz wegnahm. Nein, er hatte die Präsenz eines anderen Wesens gespürt, und er wurde immer überzeugter davon, wer - oder was - es gewesen war.
    Es war der dunkle Mann, der Mann, der in seinen Träumen zum Leben erwachte, die Kreatur, deren Seele er im schwarzen Herzen des Zyklons gespürt hatte.
    Irgendwo... möglicherweise in der Ecke oder direkt hinter ihnen... beobachtete er sie. Und wartete. Im richtigen Augenblick würde er sie berühren, und sie würden beide... was? Selbstverständlich vor Angst verrückt werden. Genau das. Er konnte sie sehen. Nick war sicher, daß er sie sehen konnte. Er hatte Augen, die im Dunkeln sehen konnten, wie Katzenaugen oder die eines seltsamen außerirdischen Wesens. Wie die Kreatur in diesem Film, Predator. Ja - genau so. Der dunkle Mann konnte Farbtöne des Spektrums sehen, die dem menschlichen Auge verborgen blieben; für ihn lief alles zeitlupenhaft langsam ab, in roter Farbe, als wäre die ganze Welt in Blut getaucht.
    Anfangs konnte Nick seine Hirngespinste von der Wirklichkeit trennen, aber je mehr Zeit verging, um so überzeugter wurde er, dass die Hirngespinste Wirklichkeit waren. Er bildete sich ein, er

Weitere Kostenlose Bücher