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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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irgendwo in diesem Dreieck lag das Land seiner Träume.
    Bei diesem Gedanken überkam ihn eine seltsame, erwartungsvolle Spannung.
    Eine Bewegung am Rand seines Gesichtsfelds ließ ihn aufschauen. Tom saß aufrecht da und drückte beide Fäuste gegen die Augen. Ein gewaltiges Gähnen schien seine ganze untere Gesichtshälfte verschwinden zu lassen. Nick grinste ihn an, und Tom grinste zurück.
    »Fahren wir heute noch ein bißchen?« fragte Tom, und Nick nickte.
    »Herrje, das ist gut. Ich fahr' gern mit meinem Rad. Meine Fresse, ja!
    Ich hoffe, wir halten nie an.«
    Nick steckte die Karte weg und dachte: Wer weiß? Vielleicht wird dein Wunsch erfüllt.

    An diesem Morgen wandten sie sich nach Osten. Zu Mittag aßen sie an einer Kreuzung nicht weit von der Grenze zwischen Oklahoma und Kansas entfernt. Es war der 7. Juli, ein heißer Tag. Als sie an der Kreuzung hielten, brachte Tom sein Rad wie gewohnt schlitternd zum Stillstand. Er betrachtete ein Verkehrsschild, dessen Pfahl in einem Blecheimer voller Beton steckte, der zur Hälfte im weichen Boden am Straßenrand eingegraben worden war. Auch Nick betrachtete das Schild. Auf dem Schild stand: SIE VERLASSEN JETZT HARPER COUNTY, OKLAHOMA. HIER BEGINNT WOODS COUNTY, OKLAHOMA.
    »Das kann ich lesen«, sagte Tom, und hätte Nick hören können, wäre er teils amüsiert und teils gerührt gewesen, wie Tom mit aufgeregt und schrill deklamierender Stimme verkündete:» Sie gehen raus aus Harper County. Sie kommen nach Woods County. « Er drehte sich zu Nick um. »Wissen Sie was, Mister?«
    Nick schüttelte den Kopf.
    »Bin in meinem Leben noch nie aus Harper County raus gewesen, meine Güte, nein, nicht Tom Cullen. Aber mein Daddy hat mich mal hierher gebracht und mir dieses Schild gezeigt. Hat mir gesagt, wenn er mich je auf der andern Seite davon erwischen würde, würde er mich windelweich prügeln. Er erwischt uns doch wohl nicht drüben in Woods County? Glauben Sie, er erwischt uns?«
    Nick schüttelte nachdrücklich den Kopf.
    »Ist Kansas City in Woods County?«
    Nick schüttelte wieder den Kopf.
    »Aber wir gehen doch nach Woods County, ehe wir woanders hingehen, oder nicht?«
    Nick nickte.
    Toms Augen leuchteten. »Ist es die Welt?«
    Nick verstand nicht. Er runzelte die Stirn... zog die Brauen hoch... zuckte die Achseln.
    »Die  Welt  ist das, was ich meine«, sagte Tom. »Ziehen wir in die Welt, Mister?« Tom zögerte, dann fragte er voll zögerndem Ernst:
    »Ist Woods das Wort für Welt?«
    Nick nickte langsam.
    »Okay«, sagte Tom. Er betrachtete das Schild noch einen Augenblick, dann wischte er sich das rechte Auge ab, aus dem eine einzige Träne gekullert war. Er sprang wieder auf sein Rad. »Okay, fahren wir.« Er fuhr ohne ein weiteres Wort über die County-Grenze, und Nick folgte ihm.

    Sie überquerten die Grenze nach Kansas, kurz bevor es zu dunkel zum Weiterfahren wurde. Nach dem Essen war Tom mürrisch und müde geworden; er wollte mit seiner Tankstelle spielen. Er wollte fernsehen. Er wollte nicht mehr radfahren, weil sein Popo weh tat. Er hatte keinen Begriff von Staatengrenzen und teilte Nicks Hochgefühl nicht, als sie an einem weiteren Schild vorbeikamen, auf dem stand: WILLKOMMEN IN KANSAS. Inzwischen war es so düster, daß die weißen Buchstaben wie Gespenster über dem braunen Schild zu schweben schienen.
    Sie schlugen eine Viertelmeile jenseits der Grenze ihr Lager auf - unter einem Wasserturm auf drei hohen Stahlbeinen, der wie ein marsianisches Raumschiff von H. G. Wells aussah. Tom war kaum in den Schlafsack gekrochen, da schlief er schon ein. Nick blieb noch eine Weile sitzen und beobachtete, wie die Sterne allmählich erstrahlten. Das Land war völlig dunkel und - für ihn - vollkommen still. Kurz bevor er selbst in den Schlafsack kroch, flatterte eine Krähe auf einen Zaunpfosten in der Nähe und schien ihn zu beäugen. Ihre kleinen schwarzen Augen waren von Halbkreisen wie Blut umgeben - Spiegelungen des aufgedunsenen orangefarbenen Sommermonds, der stumm aufgegangen war. Die Krähe hatte etwas an sich, das Nick nicht gefiel; er fühlte sich plötzlich unbehaglich. Er fand einen großen Erdklumpen und warf ihn nach der Krähe. Sie schien ihm einen haßerfüllten Blick zuzuwerfen, flog flatternd auf und verschwand in der Dunk elheit.
    In dieser Nacht träumte Nick von dem Mann ohne Gesicht, der auf dem hohen Dach stand, die Hände nach Osten ausgestreckt, und dann von Mais Mais, der höher war als er selbst - und von Musik. Aber

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