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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dagewesen. Das Haus war abgeschlossen, das einzige abgeschlossene Haus, das ihr in Boulder aufgefallen war, die Jalousien heruntergezogen. Das hatte ihr irgendwie gefallen, und sie war einen Augenblick bitter enttäuscht gewesen, daß Harold nicht da war. Wenn ja, hätte er sie einlassen und die Tür hinter ihr abschließen können. Sie hätten ins Wohnzimmer gehen können, reden, oder miteinander schlafen oder unaussprechliche Dinge miteinander machen, und niemand hätte es erfahren.
    Harolds Haus war ein geheimes Plätzchen.
    »Was geschieht nur mit mir?« flüsterte sie der Dunkelheit zu, aber die Dunkelheit hatte keine Antwort für sie. Sie startete die Vespa, und das gleichmäßige rülpsende Knattern des Motors schien die Nacht zu entweihen. Sie legte den Gang ein und fuhr davon. Nach Westen.
    Als ihr während der Fahrt die kühle Nachtluft übers Gesicht strich, fühlte sie sich endlich besser. Blas die Spinnweben fort, Nachtwind. Du weißt es, nicht wahr? Wenn es keine Alternativen mehr gibt, was macht man dann? Man nimmt die Alternative, die übrigbleibt. Man wählt das Abenteuer, das einem bestimmt ist, wie dunkel es auch immer sei. Man überläßt Larry diese kleine dumme Schlampe mit ihren engen Hosen, ihrem einsilbigen Vokabular und mit ihrem Filmillustriertenverstand. Man entfremdet sich von ihnen. Man riskiert... was es zu riskieren gibt.
    Im Licht des kleinen Scheinwerfers der Vespa rollte die Straße unter ihr weg. Als die Straße anstieg, mußte sie in den zweiten Gang zurückschalten; sie war in der Baseline Road, die zum schwarzen Berg hinaufführte. Sollten sie doch ihre Versammlungen abhalten!
    Sie kümmerten sich darum, den Strom wieder anzuschalten; ihr Geliebter kümmerte sich um die  Welt .
    Der Motor der Vespa ächzte und keuchte, aber irgendwie lief er weiter. Eine schreckliche, aber doch sexy Angst packte sie; der vibrierende Sattel des Motorrollers machte sie da unten ganz heiss ( du bist ja geil, Nadine , dachte sie in einer schrillen guten Laune,  schlimm, schlimm, SCHLIMM .) Rechts von ihr fiel das Gelände steil ab. Dort unten lauerte der Tod. Und dort oben? Sie würde es feststellen. Es war zu spät umzukehren, und allein dieser Gedanke gab ihr ein paradoxes und herrliches Gefühl der Freiheit. 

    Eine Stunde später war sie im Sunrise Amphitheater - aber der Sonnenaufgang war noch drei oder mehr Stunden entfernt. Das Amphitheater lag dicht unter dem Gipfel des Flagstaff Mountain, und fast alle Einwohner der Freien Zone hatten schon kurz nach ihrer Ankunft in Boulder einen Ausflug zum Campingplatz auf dem Gipfel gemacht. An klaren Tagen - und in Boulder waren wenigstens im Sommer die Tage meistens klar - konnte man Boulder und die I-25 sehen, die in südlicher Richtung nach Denver führte, und weiter in den Dunst, wo zweihundert Meilen entfernt New Mexico lag. Im Osten war das flache Land, das sich bis Nebraska erstreckte; näher lag der Boulder Canyon, ein tiefer Einschnitt in den Ausläufern der Berge, wo Pinien und Fichten wuchsen. In vergangenen Sommern waren Segelflugzeuge wie Vögel mit den Aufwinden über dem Sunrise Amphitheater geschwebt.
    Jetzt sah Nadine nur, was sie im Schein ihrer Taschenlampe erkennen konnte, die sie in der Nähe des Steilhangs auf einen Picknicktisch gelegt hatte. Daneben lag ein großer Zeichenblock, in dem sie ein leeres Blatt aufgeschlagen hatte, und darauf stand wie eine große Spinne das dreieckige Brett. Aus seinem Bauch ragte wie der Stachel einer Spinne ein Bleistift, der leicht das Papier berührte. Nadine war in einem fiebrigen Zustand, der halb Euphorie und halb Entsetzen war. Als sie mit der tapfer schnurrenden Vespa, die gewiss nicht für Bergfahrten gedacht war, hierhergefahren war, hatte sie etwas Ähnliches gespürt wie Harold damals in Nederland. Sie spürte ihn. Aber während Harold es auf eine präzise und technologische Weise empfunden hatte, als ein Stück Eisen, welches von einem Magneten angezogen wurde, als einen Sog, empfand Nadine es als mystische Erfahrung, als Grenzüberschreitung. Es war, als wären diese Berge, in deren Vorgebirge sie sich erst befand, ein Niemandsland zwischen zwei Einflußsphären - Flagg im Westen, die alte Frau im Osten. Und hier wirkte die Magie nach beiden Seiten, mischte sich zu einem Gebräu, das weder Gott noch dem Satan gehörte, aber völlig heidnisch war. Sie kam sich vor wie in einer Geisterstätte.
    Und das Spiritistenbrett...
    Sie hatte den bunten Karton mit der Aufschrift MADE IN TAIWAN

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