The Stand. Das letze Gefecht
wenn sie nichts zu essen bekommen.«
Nick schrieb: »Sagen Sie ihr, wer das Essen bringt, soll einfach reinkommen. Ich kann das Klopfen nicht hören.«
»Okay.« Baker zögerte noch einen Augenblick. »In der Ecke steht deine Pritsche. Sie ist hart, aber sauber. Und sei vorsichtig, Nick. Du kannst nicht um Hilfe rufen, wenn es Ärger gibt.«
Nick nickte und schrieb: »Ich kann auf mich aufpassen.«
»Das glaube ich auch. Trotzdem würde ich jemanden aus der Stadt holen, wenn ich nur einen wüßte, der...« Er verstummte, als Jane hereinkam.
»Hältst du dem armen Jungen immer noch eine Predigt? Laß ihn gehen, bevor mein dummer Bruder kommt und sie alle rausholt.«
Baker lachte bitter. «Der ist inzwischen wahrscheinlich schon in Tennessee.« Er stieß einen langen Seufzer aus, der in einen heftigen, verschleimten Hustenanfall überging. »Ich denke, ich geh' rauf und leg mich hin, Janey.«
»Ich bring' dir ein paar Aspirin gegen das Fieber«, sagte sie. Als sie ihren Mann zur Treppe begleitete, sah sie über die Schulter zu Nick. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Nick. Egal, unter welchen Umständen. Seien Sie nur so vorsichtig, wie er sagt.«
Nick machte eine Verbeugung, und sie deutete einen Knicks an. Er glaubte, Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen.
Etwa eine halbe Stunde nachdem Nick im Gefängnis angekommen war, brachte ein komischer pickliger Kellnerlehrling mit schmutziger Jacke drei Portionen Essen. Nick deutete auf die Pritsche, und während der Junge das Essen dort abstellte, kritzelte Nick: »Ist es bezahlt?«
Der Kellnerlehrling las es mit der ganzen Konzentration eines Erstsemesterstudenten, der sich an Moby Dick wagt. »Klar«, sagte er.
»Das Sheriff-Büro hat bei uns ein Konto. Sag mal, kannst du nicht sprechen?«
Nick schüttelte den Kopf.
»Scheiße«, sagte der Junge und verschwand so schnell, als könnte der Zustand ansteckend sein.
Nick brachte ein Essen nach dem anderen in den Zellentrakt und schob es jeweils mit einem Besenstiel durch die Öffnung unten in der Tür.
Er sah auf und erkannte gerade noch »... feiger Scheißer, was?« von Mike Childress. Lächelnd zeigte Nick ihm den Mittelfinger.
»Ich werd' dir schon zeigen, was das heißt, Dödel«, sagte Childress und grinste unangenehm. »Wenn ich hier rauskomme, werde ich...«
Nick wandte sich ab und verzichtete auf den Rest.
Im Büro setzte er sich auf Bakers Stuhl, legte den Notizblock mitten auf die Schreibunterlage, dachte einen Augenblick nach und schrieb an den Rand:
Lebensgeschichte
von Nick Andros
Er hielt inne und lächelte verhalten. Er war schon an seltsamen Orten gewesen, aber selbst in seinen wildesten Träumen hätte er sich nicht vorstellen können, eines Tages als Deputy im Büro eines Sheriffs zu sitzen, drei Männer zu bewachen, die ihn zusammengeschlagen hatten, und seine Lebensgeschichte zu schreiben. Nach einer Weile schrieb er weiter:
Ich wurde am 14. November 1968 in Caslin, Nebraska, geboren. Mein Daddy war selbständiger Farmer. Er und Mom standen immer am Rand der Pleite. Sie waren bei drei verschiedenen Banken verschuldet. Meine Mutter war sechs Monate schwanger mit mir, als mein Vater sie in die Stadt zum Arzt fuhr. Eine Spurstange brach, und der Pritschenwagen landete im Graben. Mein Vater hatte einen Herzanfall und starb.
Wie dem auch sei, meine Mutter brachte mich drei Monate später zur Welt, und ich wurde so geboren, wie ich bin: taubstumm. War sicher ein schwerer Schlag für sie, nachdem sie den Mann so plötzlich verloren hatte.
Sie bewirtschaftete die Farm bis 1973, dann verlor sie sie an die »Großmacker«, wie sie immer sagte. Sie hatte keine Verwandten, schrieb aber manchmal Freunden in Big Springs, lowa. Und einer dieser Freunde besorgte ihr einen Job in einer Bäckerei. Wir lebten dort, bis sie 1977 bei einem Unfall ums Leben kam. Ein Motorradfahrer fuhr sie auf dem Nachhauseweg von der Arbeit an, als sie über die Straße ging. Er war nicht einmal schuld, es war einfach Pech, weil die Bremsen versagt hatten. Er war nicht einmal zu schnell gefahren. Die Baptistenkirche gab meiner Mama ein Gnadenbegräbnis. Dieselbe Kirche, die Barmherzigen Baptisten, schickten mich in das Waisenhaus der Kinder Jesu in Des Moines. Das Haus wird von allen möglichen Kirchen gemeinsam unterhalten. Dort lernte ich lesen und schreiben...
Er hielt inne. Seine Hand tat ihm vom vielen Schreiben weh, aber das war nicht der Grund. Er fühlte sich anbehaglich, heiß und unwohl, weil
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