The Stand. Das letze Gefecht
weil Baker ihm diesen Job hier gegeben hatte, den Zellentrakt aufzuräumen, damit er seinen verlorenen Wochenlohn wieder verdienen konnte, sondern weil er die Männer verfolgt hatte, die Nick zusammengeschlagen und ausgeraubt hatten. Er hatte es getan, als wäre Nick Mitglied einer der ältesten und angesehensten Familien der Stadt, nicht nur ein taubstummer Streuner. Nick wußte, daß es im Grenzbereich im Süden jede Menge Sheriffs gab, die ihn statt dessen zu sechs Wochen Farm - oder Straßenarbeit verdonnert hätten.
Sie waren mit Bakers Privatwagen, einem Power Wagon, zur Sägemühle gefahren, wo Vince Hogan arbeitete, und nicht mit dem Dienstwagen des County. Unter dem Armaturenbrett war eine Schrotflinte (»Immer abgeschlossen und immer geladen«, sagte Baker) und ein Blinklicht, das Baker bei Einsätzen auf das Armaturenbrett stellte. Als sie auf den Hof des Sägewerks gefahren waren, was inzwischen zwei Tage her war, hatte er es dorthin gestellt.
Baker hatte sich geräuspert, zum Fenster rausgespuckt, sich geschneuzt und die roten Augen mit dem Taschentuch gerieben. Seine Stimme klang näselnd, wie ein Nebelhorn. Das konnte Nick natürlich nicht hören, aber es war auch nicht nötig. Es war offensichtlich, daß der Mann eine schlimme Erkältung hatte.
»Wenn wir ihn sehen, packe ich ihn am Arm«, sagte Baker. »Dann frage ich dich: >Ist das einer von ihnen?< Und dann nickst du wie ein Wilder. Es ist mir gleich, ob er dabei war oder nicht. Kapiert?«
Nick nickte. Kapiert.
Vince arbeitete an der Hobelmaschine, wo er lange Bretter einführte und fast bis zum Rand der Arbeitsstiefel in Sägemehl stand. Er lächelte John Baker nervös zu und warf Nick, der neben dem Sheriff stand, unsichere Blicke zu. Nicks Gesicht war hager und zerschunden und immer noch zu blaß.
»Hi, Big John, was treibst du denn hier draußen bei der arbeitenden Bevölkerung?«
Die anderen Männer der Schicht beobachteten die Szene und sahen ernst von Nick zu Vince, von Vince zu Baker und dann wieder zurück, wie Zuschauer bei einer komplizierten neuen Form von Tennis. Einer spie einen Priem Honey Cut ins frische Sägemehl und wischte sich mit dem Handrücken das Kinn ab.
Baker packte Vince Hogan an einem faltigen, sonnenverbrannten Arm und zerrte ihn nach vorne.
»He, was soll das, Big John?«
Baker drehte sich um, so daß Nick seine Lippen sehen konnte. »Ist das einer von ihnen?«
Nick nickte heftig, sicherheitshalber deutete er auch noch auf Vince.
»Was soll das?« protestierte Vince noch einmal. »Ich hab' den Taubstummen noch nie gesehen.«
»Woher weißt du denn, daß er taubstumm ist? Komm mit, Vince, du wanderst in den Bau. Los, ab die Post. Einer von den Jungs kann dir deine Zahnbürste bringen.«
Der protestierende Vince wurde zum Power Wagon geführt und hineingesetzt. Unter Protest wurde er in die Stadt gefahren. Unter Protest wurde er in die Zelle gesperrt und ein paar Stunden schmoren gelassen. Baker machte sich nicht die Mühe, ihm seine Rechte vorzulesen. »Würde den Dummkopf nur verwirren«, sagte er zu Nick. Als Baker am Nachmittag wieder hineinging, hatte Vince so viel Hunger und Angst, daß er nicht mehr protestierte. Er packte aus. Mike Childress saß um eins im Bau, und Baker schnappte Billy Warner in dessen Haus, als Billy gerade seinen alten Chrysler vollpackte, um wegzufahren - weit weg, nach den vielen Schnapskisten und gebündelten Kleidungsstücken zu urteilen. Aber jemand hatte Ray Booth einen Tip gegeben, und Ray war schlau genug gewesen, sich ein wenig schneller abzusetzen. Baker nahm Nick mit nach Hause, damit er seine Frau kennenlernte und etwas zu essen bekam. Im Auto schrieb Nick auf den Notizblock:
»Tut mir wirklich leid, daß es der Bruder Ihrer Frau ist. Wie hat sie es aufgenommen?«
»Sie wird damit fertig«, sagte Baker mit beinahe amtlicher Stimme und Haltung. »Ich schätze, sie hat seinetwegen ein paar Tränen vergossen, aber sie wußte, was er ist. Und sie weiß, man kann sich seine Verwandten nicht aussuchen wie seine Freunde.«
Jane Baker war eine kleine, hübsche Frau, die tatsächlich geweint hatte. Als Nick ihre tief in den Höhlen liegenden Augen sah, wurde ihm unbehaglich zumute. Aber sie schüttelte ihm herzlich die Hand und sagte: »Freut mich, Sie kennenzulernen, Nick. Und ich möchte mich von ganzem Herzen für den Ärger entschuldigen. Ich fühle mich mitverantwortlich, wo doch jemand aus meiner Familie was damit zu tun hat.«
Nick schüttelte den Kopf und trat
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