The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Leute, Brocken davon zu haben, dass die Stadtverwaltung, wenn man die Stücke wieder zusammengesetzt hätte, anstelle des Originals drei solcher Säulen daraus hätte errichten können. Tatsächlich war es eine Aktion mit der Absicht, die Phantasie der Nation zu beflügeln, besonders jenes Teils, der die Kneipen bewohnte. Der trinkfreudige, gesellige Brendan Behan hatte bereits die Mystik der IRA und seine Gefangenschaft in seine Schriftstellerei eingebunden (wie etwa in seinen Bestsellerroman „Borstal Boy“ und seine Stücke „Der Mann von morgen früh“, „Die Geisel“ etc.). Es war also eine Zeit, in der die IRA einigermaßen geduldet wurde, da sie sich fast völlig passiv verhielt und nur für hässliche, phallische Symbole der britischen Kolonial-Architektur eine Bedrohung darstellte. Der zeitgleiche Aufschwung von irischer Volksmusik und ihren traditionellen Liedern, von denen viele die IRA-Helden und Märtyrer besangen, trug ebenfalls dazu bei, die IRA wieder akzeptabel zu machen. Mich selbst ließ die Explosion in Dublin innerlich erglühen.
Für meine Motivation wie gerufen kam schließlich ein Vorfall, bei dem die pro-britische, protestantische Organisation der paramilitärischen Ulster Volunteer Force 1966 in Belfast zwei Katholiken namens Peter Ward und John Patrick Scullion erschoss. Dadurch wurde deutlich, was das Leben für Katholiken in Nordirland unterm Strich bedeutete: Diskriminierung bei der Zuteilung von Arbeitsplätzen und Wohnraum, die Aussicht, später auswandern zu müssen, und nun kam auch noch hinzu, dass man als Feind Ulsters von fanatischen Sektierern totgeschossen werden konnte. Die also hatten Gewehre, aber wir, die wir keine besaßen, hatten die neuerwachte Sympathie für die IRA, und das würde sich schon noch als sehr gefährlich erweisen. Schon kurze Zeit später sollte die Ulster Volunteer Force die ersten Bomben in Belfast hochgehen lassen; es war als Protest gegen den Versuch des Premierministers von Nordirland gedacht, die Beziehungen zur Republik Irland zu verbessern und den Katholiken eine Reform ihrer Lebensbedingungen zuzugestehen.
Die ersten Anzeichen von sozialen Unruhen in Derry, an die ich mich erinnere, hingen mit einer Kontroverse zusammen, die paradoxerweise Protestanten und Katholiken zugleich auf die Barrikaden brachte, als es um die Ansiedlung der neuen, zweiten nordirischen Universität ging (die erste war Belfast).
Um den Zusammenhang stark vereinfacht darzustellen: Derry als zweitgrößte Stadt Nordirlands hatte eine katholisch/nationalistische Mehrheit, unterlag aber in jeder Hinsicht der Kontrolle der protestantisch-unionistischen Minderheit durch das zu Anfang erwähnte schamlose „gerrymandering“, und das schon seit fünfzig Jahren. Man könnte meinen, dass sich das zum Vorteil für die Stadt hätte auswirken können, da die protestantischen Unionisten ja dort wohnten und ihre Kinder dort großzogen, aber so war es keineswegs. Eine Gruppe von sehr einflussreichen Bürgern, die man später „die Gesichtslosen“ nannte, wirkte den Interessen der Stadt entgegen, um Veränderungen der politischen Machtverhältnisse zu verhindern, um Katholiken Neubauten oder sonstigen Wohnraum vorzuenthalten und um zu verhindern, dass eine Universität in einer mehrheitlich von Katholiken bewohnten Stadt errichtet würde. Sie hatten damit auch Erfolg. Die Neue Universität Ulster, wie sie offiziell genannt wurde, kam nicht nach Derry, sondern in ein protestantisch/unionistisches Marktstädtchen namens Coleraine, etwa dreißig Meilen nordöstlich von Derry gelegen.
Man muss dazu sagen, dass nicht jeder Protestant/Unionist in Derry die Ansiedlung der neuen Universität in Derry ablehnte. Viele Protestanten beteiligten sich an einem aufgebrachten Protest, der in einem berühmten Autokorso zum nordirischen Parlament in Stormont in Belfast gipfelte, wo Tausende gegen diese unverhohlene Diskriminierung von Derry auftraten. Aber aller Protest war vergebens.
Es war eine Aktion der Mittel- und der oberen Mittelschicht. Man musste ein Auto haben, um sich an einem Autokorso zu beteiligen; außerdem erwartete man, dass die eigenen Kinder einmal an der Universität studieren würden. Die Aktion brauchte auch die Beteiligung eines allgemein wenig rebellischen Teils der Gesellschaft, nämlich der Lehrer, Schuldirektoren und Eltern. Ich weiß noch, wie zu Hause darüber diskutiert wurde und wie Nachbarn sich in ihrem Auto nach Stormont aufmachten. Und ich weiß noch, dass
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