The Volunteer. Erinnerungen eines ehemaligen IRA-Terroristen (German Edition)
Ich bat meine Opfer und anschließend Gott um Vergebung.
Meine Kameraden im Gefängnis hielten mich für verrückt! Irgendwelche rational begründeten Argumente gegen bewaffneten Widerstand hätten sie leichter akzeptieren können, aber die Erwähnung von Religion und Glauben, den Evangelien und Gott hatte eine abstoßende Wirkung auf sie, und viele von ihnen ignorierten mich jahrelang völlig.
Nach vierzehn Jahren Haft wurde ich entlassen, wobei ich nicht der noch weitere fünf Jahre andauernden landesweiten Zensur durch die Medien unterlag. Ohne zu zögern rief ich in der Presse, im Radio und im Fernsehen zur Beendigung der Gewalt auf und nahm dabei ein paar Jahre lang auch eine führende Rolle ein.
Die persönliche Wandlung, die ich durchlebt hatte, wurde später ziemlich genau von der aus Sinn Féin und der IRA bestehenden Bewegung widergespiegelt, als diese sich öffentlich für das von ihr verursachte Leid entschuldigte, ihren Waffenbestand untauglich machte und sich völlig dem demokratischen Vorgehen widmete. Diese Wandlung öffnete ihr den Weg zu uneingeschränkter Beteiligung an der demokratischen Politik unseres Landes.
Es gibt keinen Zweifel, dass die Terroranschläge des 11. September in den USA bewaffneten Kampf als genau das dargestellt haben, was er ist: ein Vorgang, bei dem Menschenleben auf rationale, berechnende Art politischen Zielen geopfert werden. Eine solche rationale Berechnung an sich ist schon verbrecherisch, und es gibt nur einen Weg, um davon loszukommen – durch uneingeschränkte Reue. Die Anschläge des 11. September haben viele Iren in Amerika und in Irland erschüttert, die zuvor den bewaffneten Widerstand unterstützt hatten und nun den Drang verspürten, sich restlos davon zu distanzieren.
Und so vergehen die Jahre… Jeden Tag erinnere ich mich und denke über die Vergangenheit nach, wobei ich mir vor Augen halte, dass so viele Jugendliche, mit denen ich befreundet war, im bewaffneten Kampf ihr Leben ließen, aber auch anderen das Leben nahmen. Unablässig denke ich an all die verlorenen Menschenleben und das Leid auf allen Seiten – diese Gedanken verlassen mich nie. Ich versuche den Sinn von dreißig Jahren Krieg zu erkennen und komme dabei zum Schluss, dass mein Leben mich vor allem eins gelehrt hat: In dem Augenblick, wo ich als junger, idealistischer Gerechtigkeitssuchender für mein edles Anliegen zur Gewalt griff, beging ich schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und brachte Unehrenhaftigkeit und Schande über meine Sache und mich selbst. Ich verstrickte mich in Sünde. Wenn man in dieser Weise einer Sache dienlich sein will, wird sie mit Blut besudelt und kann nicht mehr edel sein.
Die einzige politische Ideologie, die einer edlen Sache würdig sein kann, ist eine, die die Rechte und das Leben jedes einzelnen Menschen bedingungslos respektiert.
Ich lege meine Geschichte in der Hoffnung dar, dass ein junger Mensch, der sie liest, vielleicht die Fehlentscheidungen vermeidet, die ich mit gerade fünfzehn Jahren traf, und mit ihnen die schrecklichen Konsequenzen.
TEXTREFERENZEN
Sämtliche Übersetzungen stammen von Ulrike Wittenborn.
Proklamation zum Osteraufstand, 1916
englische Fassungen online:
http://www.irishcultureandcustoms.com/AHistory_Heritage/1916Proclamation.html [31.3.2013] und
http://en.wikipedia.org/wiki/Proclamation_of_the_Irish_Republic [31.3.2013]
Reden von der Anklagebank (Speeches from the Dock)
Englische Fassungen online:
http://www.gutenberg.org/files/13112/13112-h/13112-h.htm [31.3.2013]
gedruckt: Sullivan, Christine: Speeches from the Dock, or Protests of Irish Patriotism, Barnes & Noble 2010
Padraig Pearse: Eine Mutter spricht (A Mother Speaks)
Englische Fassung online:
http://www.thefullwiki.org/A_mother_speaks [31.3.2013]
Fr. Augustine Hayden OFM Cap: Recollections of the 1916 Rising, S. 28
online: Bureau of Military History: http://www.bureauofmilitaryhistory.ie/reels/bmh/BMH.WS0920.pdf#page=28 unter „Friday morning, May 5th“ [31.3.2013]
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