The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
nicht schaden, sagte er sich, einen Riesentypen mit einer Riesenknarre an seiner Seite zu haben, insbesondere in Anbetracht der üblen Gegenden, die er bald durchqueren musste.
»Ich mag so ironisches, originelles Zeug«, sagte Buck. »Widerspricht irgendwie meinem Harter-Hund-Image. Lässt mich so verdammt vielschichtig wirken, dass du mich ficken willst, stimmt’s?«
Marty hörte Schreie aus dem Amt für Wasser- und Energieversorgung, einem kastenförmigen Bau auf einem Parkhaus, dessen oberste Ebene in einen quadratischen See verwandelt worden war, sodass ein Wassergraben das Gebäude umgab. Der vierzig Jahre alte architektonische Kunstgriff war jetzt, da das Parkhaus in sich zusammengesackt und die gleichaltrige Zugbrücke, die das Gebäude mit der Straße verbunden hatte, eingestürzt war, zur Falle geworden. Die Angestellten der Behörde saßen in einem kollabierenden Bau fest, konnten ihr Schicksal aber immerhin damit rechtfertigen, dass dies nun einmal der Preis dafür war, in einem bürokratischen Märchen zu arbeiten.
»Ich hab mal einen kleinen Welpen gerettet«, fügte Buck hinzu. »Die wollten das sabbernde kleine Pelzknäuel töten, weil es sein Heim gegen einen Eindringling verteidigt hat. Ich konnte mit dieser verdammten Ungerechtigkeit nicht leben, mit der Vorstellung, dass dieses arme, flauschige Geschöpf sterben sollte, weil es das Richtige getan hatte, verdammt noch mal, also hab ich moralisch Stellung bezogen. In der Nacht, bevor sie ihm die Spritze geben wollten, befreite ich ihn aus dem Hundezwinger und ließ ihn in meinem Mercury Montego wohnen.«
Buck schaute Beifall heischend zu Marty, bekam aber stattdessen nur Skepsis.
»Was für ein Welpe?«, fragte Marty.
»Was spielt das für eine Scheißrolle?«
»War es ein Pitbull?«
»Es war ein Pitbullwelpe«, blaffte Buck. »Die sind genauso scheißsüß wie jeder andere Welpe auch.«
»Und dieser Eindringling, was genau hat der getan?«
»Über den Zaun in das Revier des Hundes klettern, das hat er getan, nachdem er die Ruhe des Tiers auf schreckliche Art gestört hatte.«
»Er verschreckte einen bissigen Pitbull«, sagte Marty.
»Der Baseball von dem Balg rauschte in die Hundehütte und hat dem Hund einen Riesenschrecken eingejagt, dann kletterte das bescheuerte Kind in den Hof, um seinen Ball zu holen. Okay? Der Punkt ist, der Hund kann einen Scheißbaseball nicht von einem verdammten Gorilla unterscheiden und tat, was in seiner Natur liegt, nämlich sich und sein Herrchen zu verteidigen. Also war das, was ich getan habe, eine verdammt humanitäre Tat.«
»Das war dein Hund, stimmt’s?«, fragte Marty. »Und er hat ein Kind zerfleischt.«
»Du verstehst nicht, worum es geht, Arschloch.« Buck fuchtelte mit seinem fettigen Finger in der Luft herum. »Ich habe einen komplexen Charakter und tausend gute Stories.«
Endlich begriff Marty. »Du versuchst gerade, mir eine Serie zu verkaufen, richtig? Über dich?«
»Warum auch nicht, Scheiße noch mal? Hast du schon mal ’nen Typen wie mich im Fernsehen gesehen?«
Nur bei Jerry Springer. »Ruf meine Sekretärin an und lass dir einen Termin geben.«
»Wir haben genau jetzt unseren Termin, Vollidiot«, sagte Buck. »Oder hast du etwa noch anderweitige dringende Verpflichtungen?«
Die Welt um sie herum war gerade im wahrsten Sinne des Wortes untergegangen und Marty sollte sich einen Pitch anhören. Aber es waren dennoch beileibe nicht die übelsten Umstände, unter denen er je gezwungen gewesen war, sich Ideen für Fernsehserien anzuhören. Sein Spezialist für männliche Fruchtbarkeit hatte gerade seinen Hodensack untersucht und an seinen ungleichen Eiern herumgetastet, als er ihm die Beobachtung unterbreitete: »Einige wirklich unglaubliche Typen gehen hier ein und aus. Sie würden mir diese irrwitzigen Geschichten nicht glauben.«
»Tatsächlich?«, sagte Marty und versuchte so zu tun, als sei es völlig natürlich, mit der Hose um die Knöchel herumzustehen, während ein Typ seine Testikel durch die Hand rollen ließ und Serienkonzepte mit ihm diskutierte.
»Ich habe die alle auf Karteikarten, die sind Gold wert, lustiger als Seinfeld . Willst du sie mal sehen?«
Marty traute sich in Anbetracht der Tatsache, dass der Typ ihn bei den Eiern hatte, nicht Nein zu sagen. Die Situation unterschied sich gar nicht so sehr von der heutigen, Martys innere Einstellung hingegen schon. Vor einem Jahr saß seine Frau im Wartezimmer, und er konnte ihre sehnsuchtsvolle Verzweiflung durch
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