The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
geborstenen Bewehrung im Beton verheddert. Die Windschutzscheibe war zertrümmert, und direkt unterhalb des Wagens lag ein lebloser Körper über die Straße verspritzt.
Der Fahrer hätte sich besser angeschnallt.
Buck rempelte ihn an. »Der Kerl sagt, da oben ist ein Kind im Auto, angeschnallt und zu verängstigt, um sich von der Stelle zu bewegen.«
»Ich kann es ihm nicht verübeln«, sagte Marty und machte Anstalten wegzugehen. Buck griff nach ihm.
»Der Typ braucht unsere Hilfe, um das Kind da rauszuholen.«
Marty schüttelte den Kopf. »Sehe ich aus wie Charlton Heston?«
»Was zur Hölle …?«
»Ich bin kein Held.« Marty wandte sich ab, und wieder packte Buck ihn.
»Vielleicht hab’ ich mich verdammt noch mal nicht klar genug ausgedrückt. Da ist ein Kind alleine in diesem Auto da oben. Es sitzt in der Falle.«
»Genauso wie tausend andere Kinder in dieser Stadt. Soll ich etwa jedes einzelne von ihnen retten?«
Buck ließ Marty los und schaute ihm direkt in die Augen. »Du wirst dieses hier retten.«
»Nein«, sagte Marty. »Ich gehe nach Hause.«
Er rückte die Sporttasche auf seinen Schultern zurecht, drehte Buck den Rücken zu und machte sich auf nach Westen. Molly war genug. Mehr als irgendjemand von ihm verlangen konnte. Er hatte seine Schuldigkeit getan, mehr musste er nicht tun. Seine Pflicht war es, nach Hause zu seiner Frau zu gehen.
Marty hörte das Klicken. Das Dirty-Harry-Klicken. Das Geräusch kam geradezu aus seinem Unterbewusstsein. Er wusste, was es war, aus fiktionaler Erfahrung, schon sein ganzes Leben lang. Obwohl noch nie zuvor jemand eine Pistole auf ihn gerichtet und den Hahn gespannt hatte, hatte er es so oft im Fernsehen gehört, dass er das Geräusch instinktiv erkannte.
»Noch einen Schritt, Arschloch, und ich knall’ dich ab«, sagte Buck hinter ihm.
Marty hielt an und schaute über seine Schulter. Jawohl, Buck zielte tatsächlich zum zweiten Mal an diesem Tag mit seiner Knarre auf ihn. Hinter Buck fuchtelte der Mexikaner mit seinen Händen herum und produzierte quasselnd eine verzweifelte Sturzflut unverständlichen Spanischs, offensichtlich besorgt, fürchterlich missverstanden zu werden.
Marty sprach langsam und deutlich.
»Ich habe das schon einmal mitgemacht, Buck. Darum ging mein Rucksack in Flammen auf. Ich bin gerade noch davongekommen. Du willst ein Held sein? Dann los. Ich hoffe, du überlebst es, aber ich kann es nicht noch einmal riskieren. Ich muss es nach Hause schaffen, für meine Frau. Das ist meine moralische Pflicht. In Ordnung?«
Doch Marty erhielt keine Antwort von Buck, und er wollte verdammt sein, wenn er jetzt anfinge, darüber zu streiten. Also ging Marty einfach los.
Und Buck schoss.
Marty hörte den unglaublich lauten Pistolenknall im selben Moment, als er den glühend heißen Schlag in seiner Schulter spürte, der ihn herumwirbelte und von den Füßen riss.
Seine Schulter brannte. Er berührte den blutigen Riss in seiner Jacke, und während seine Ohren immer noch klingelten, starrte er ungläubig zu Buck hoch. »Du hast auf mich geschossen?«
»Ich hab dich gestreift«, sagte Buck. »Sei nicht so ein Weichei.«
Martys Wut übertrumpfte seinen Schmerz. »Du hast niemanden, es ist völlig egal, ob du bei dem Versuch, jemanden zu retten, verreckst. Es gibt niemanden, der auf dich wartet, niemanden, der auf dich angewiesen ist.«
»Doch, dieses Kind«, sagte Buck. »Schau dich doch mal um, Arschloch. Du bist am Leben. Du hast zwei gesunde Arme und zwei gesunde Beine. Deine verdammte Pflicht ist es, jedem zu helfen, den du siehst, ob du willst oder nicht. Du hast die Wahl. Du kannst als Held sterben bei dem Versuch, dieses Kind zu retten, oder du kannst als Feigling sterben, genau hier und jetzt. Es liegt ganz bei dir.«
Marty schaute hoch zu dem Auto, das in der leichten Brise knarzte, dann zu dem blutigen Klumpen auf dem Asphalt. In einigen Minuten könnte er, wenn er nachgab, genauso daliegen. Nur mit einem Auto und womöglich der ganzen Überführung auf ihm drauf. Selbst die Obdachlosen waren schlau genug gewesen, unter der angeknacksten Brücke abzuhauen, und hatten ihre von Flöhen bewohnten Matratzen, stapelweise verdreckte Decken und Plastiktüten voll mit Müll zurückgelassen.
Die bröckelnde Brücke, das hin- und herschwankende Auto, das waren Todesfallen. Dieser Rettungsversuch, ohne die nötige Ausrüstung oder Erfahrung, war Selbstmord.
Es war wie all die Geschichten, die er in der L. A. Times gelesen hatte, die
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