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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Goldberg
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die Wände hindurch spüren. Er brauchte einen gut gelaunten Arzt. Er brauchte Eier, die – wenn auch nur auf einer Seite – Spermien wie ferngesteuerte Raketen produzierten.
    Buck brauchte er nicht.
    »Schau dich um«, sagte Marty zu Buck. »Wir haben gerade das Große Beben überlebt. Tausende von Menschen sind tot. Die Stadt liegt in Trümmern. Meinst du wirklich, das ist jetzt der richtige Moment, um mir eine Fernsehserie zu pitchen?«
    »Absolut. Wir freunden uns gerade an. Wenn das alles vorbei ist, haben wir eine gute Grundlage, um gemeinsam Geschäfte zu machen«, antwortete Buck. »Wie heißt du?«
    »Marty Slack.«
    »Im Fernsehen sind alle Ermittler Weicheier, Marty. Gutmenschen, die einfach nur helfen wollen und sich ums Geld nicht scheren. Jeder will bezahlt werden, also das ist schon mal Bullshit. Wie zum Geier zahlen die sonst ihre Sportwagen ab und kaufen sich diese ganzen teuren Anzüge, wenn sie nicht bezahlt werden? Erklär mir das mal.«
    Marty wollte ihm gerade von der letzten Krimiserie erzählen, an der er gearbeitet hatte – genau genommen erst heute morgen noch –, als er die andere Seite des Bunker Hill erreichte, den Harbor Freeway sah und alles vergaß, was er hatte sagen wollen. Ein einziger Wust von ineinander verkeilten, ausgebrannten und noch brennenden Autos, verteilt über sechs Spuren aufgerissener Straße und abgestürzter Überführungen, über Meilen hinweg. Wenn da unten jemand schrie oder weinte, so wurde er von dem trostlosen Wehklagen gequälter Autos übertönt.
    Los Angeles war eine einzige Kreuzung riesiger Schnellstraßen, und Marty wusste, dass sie alle so aussehen mussten – gigantische Ameisenstraßen, die mit Brennspiritus vollgespritzt, dann angezündet und schließlich ein paar Mal mit einem Stein verdroschen worden waren.
    Die Zahl der Toten war unvorstellbar. Und Hilfe würde niemals kommen. Sie war – tot oder lebendig – im Verkehr stecken geblieben.
    Marty zog sich die Staubmaske über Nase und Mund und überdachte seine Möglichkeiten. Er könnte die Böschung hochklettern und das Massaker auf der Schnellstraße überqueren, oder er konnte unten drunter durchgehen, wo die 110 über die 1st Street führte. Die Überführung stand noch, doch wer wusste schon, wie stabil sie war? Wie schnell konnte er knapp zwanzig Meter weit rennen? Wie sehr wollte er sein Glück herausfordern?
    Buck hatte seine Entscheidung schon getroffen, er war bereits unter der Überführung und brüllte Marty an, dass er sich verdammt noch mal beeilen solle. Marty wusste, dass Buck überhaupt nicht darüber nachdachte, er bewegte sich einfach mit der ganzen intellektuellen Selbstreflexion einer Amöbe vorwärts.
    Marty traute sich zwar nicht zu, sich seinen Weg durch das Chaos auf dem Freeway zu bahnen, aber es war definitiv Selbstmord, unter einer Überführung durchzugehen, die bereits von zwei Erdbeben an einem Vormittag geschwächt war. Es blieb ihm also nur noch eine einzige Option. Blind drauflos, wie Buck. Nur um einiges schneller.
    »Shit«, brummte Marty, dann rannte er so schnell er konnte und nutzte die Steigung, um Schwung aufzubauen für die Überführung. Er war zur Hälfte unter der Straße durch, als er über einen Betonbrocken stolperte.
    Marty schlitterte, als ob er versuchte, die erste Base zu erreichen. Flach auf dem Bauch liegend, die Nase auf dem Asphalt, hörte er das Grollen. Er wusste, was da im Anmarsch war. Nachbeben. Er rappelte sich auf und rannte weiter, im Bewusstsein, dass er zu spät war, dass er innerhalb von Sekundenbruchteilen unter Tonnen von Beton zermalmt werden würde.
    Schreiend rannte er unter der Überführung hervor, stolperte wieder, rollte auf den Rücken und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um mitanzusehen, wie eine Feuerwalze über die Schnellstraße fegte und in ihrer Schneise Autos wie Popcorn explodierten. Das Grollen, das er spürte, war kein Nachbeben, es war eine Serie von Explosionen, die über die 110 raste.
    Das Feuer bewegte sich vorwärts wie Wasser, es überschwemmte die Schnellstraße und verflüchtigte sich dann, als hätte es nie existiert, wie eine Blasen werfende Ausgeburt aus Martys überarbeiteter Fantasie. Doch er wusste, es war keine Fantasie. Es war nur ein weiterer unfassbarer Anblick, an einem Tag, der schon zu viele davon gesehen hatte.
    Marty kam wieder auf die Beine und sah Buck, der mit dem Rücken zu ihm an den Maschendrahtzaun der halb fertigen, 150 Millionen Dollar teuren Belmont High School

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