The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
»Ich wohne da drüben, auf der Yucca. Nur ein paar Blocks da rüber.«
»Das liegt nicht auf meinem Weg«, Marty zeigte hinüber zum Capitol-Records-Gebäude. »Ich gehe nach Norden weiter.«
»Und was ist mit meinem Badezimmer?«
»Ich will echt nach Hause. Meine Frau wartet auf mich.«
Buck nickte. »Ja, okay, Thor kann’s wahrscheinlich auch kaum erwarten, mich zu sehen.«
»Thor?«
»Ja, Thor. Mein verdammter Hund.« Buck sah ernsthaft verletzt aus. »Hast du mir eigentlich überhaupt nicht zugehört?«
Meinte dieser Typ das ernst?, dachte Marty. Glaubte Buck wirklich, er würde sich jedes einzelne seiner Worte merken?
»Verzeih, ich war etwas zerstreut. Du weißt schon, wegen des Erdbebens, weil ich an der Überführung baumelte, solche Sachen.«
»Okay, wie auch immer.« Buck holte seine Knarre heraus, und für einen Moment fürchtete Marty, er würde wieder auf ihn schießen.
»Willst du sie haben?« Buck hielt ihm die Waffe hin. »Natürlich nur als Leihgabe.«
»Was soll ich mit einer Knarre?«
»Auf Leute schießen, du Penner. Es wird nur noch schlimmer werden da draußen.«
»Nein, danke«, antwortete Marty. »Ich würde dich nicht der Möglichkeit berauben wollen, noch ein paar Plünderer mehr abzuknallen.«
»Ich hab ’ne Menge Schusswaffen zu Hause.«
»Davon bin ich überzeugt. Aber ich brauche sie wirklich nicht.«
»Du begehst einen fatalen Fehler.« Buck schob das Gewehr wieder ins Holster und streckte Marty seine Hand entgegen. »Wenn du überlebst, treffen wir uns mal zum Mittagessen.«
Marty schüttelte sie, nicht aus wie auch immer gearteter Freundschaft, sondern im Bestreben, Buck schneller loszuwerden. Er wollte diesen Mann nie wiedersehen. »Sicher, das wäre großartig.«
Buck nickte und ging schnellen Schrittes die Straße hinunter. Marty blickte ihm hinterher, bis er ihn in der Menge aus den Augen verlor. Er wollte sichergehen, dass Buck ihm nicht wieder folgen würde.
Zufrieden, dass er tatsächlich allein war, setzte Marty seinen Weg die Straße hinauf mit einer neuen Entschlossenheit in seinem Schritt fort. Dies war ein Wendepunkt auf seiner Reise, und ein positiver noch dazu.
Als Marty an diesem Morgen zu seiner Wanderung aufgebrochen war, hatte er nicht mit Molly, Buck, Franklin, dem Penner oder der alten Dame mit der Vinyl-Haut gerechnet. Es gab in seinem Drehbuch keine Explosionen oder Rettungen, keine Giftgaswolken und keine unkontrollierbaren Eingeweide. Doch all dem zum Trotz war Marty genau da, wo er sein wollte, und grob im Zeitplan. Der schlimmste Teil seines Martyriums lag hinter ihm.
Marty Slack hatte die Situation endlich im Griff, ein Mann nahm sein Schicksal in die Hand. Und er genoss dieses fantastische Gefühl in seiner ganzen Fülle für ganze fünfzehn Sekunden.
Und dann kam das Nachbeben.
Sein erster Gedanke, in dem Moment, als er den gewaltigen, unterirdischen Donnerschlag gleichzeitig hörte und spürte, war, dass er zu einem Scherz in einer grausamen himmlischen Seifenoper geworden war. Nie wieder würde er es wagen zu denken, er hätte die Kontrolle über sein Leben.
Marty blieb wie angewurzelt stehen und versuchte, sein Gleichgewicht zu halten, während der Boden unter seinen Füßen wogte und die entsetzten Schreie der Menschen, die um ihn herum durcheinandergewirbelt wurden, von dem heftigen, sonoren Rumpeln der Zerstörung übertönt wurden. Gebäude schienen in den Erdboden zu schmelzen. Riesige Risse bewegten sich die Straße hoch und öffneten den Asphalt wie einen Reißverschluss. Glas spritzte wie Regentropfen auf die sich kräuselnden Gehwege.
Doch gerade als das Beben abzuebben begann, hörte er ein gewaltiges Getöse, etwas so Tiefes und so Langgezogenes, dass es das Grollen der Erde an Lautstärke und Bewegung noch übertraf, und je näher es kam, desto intensiver und lauter wurde es.
Ja, es kam näher.
Das war Martys erste intuitive Warnung dafür, dass das hier anders war. Es war nicht wie das Beben, das er überall spüren konnte, überall gleichzeitig. Das hier kam, gewaltig und grausam, von den Hügeln.
Und dann sah er es. Für die längste Sekunde seines Lebens war er ob seiner bloßen, horrenden Größe so von Schrecken ergriffen, dass er sich nicht bewegen konnte.
Eine gigantische Schlamm, Bäume, Autos, Stromleitungen und ganze Häuser mit sich reißende Wasserwand türmte sich über dem Hollywood Freeway auf, krachte in das Gebäude von Capitol Records und absorbierte die Trümmer in ihrem grausamen
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