The Walking Dead 2: Roman
mitgebracht, damit du dir schön den Bauch vollschlagen kannst.«
Er holt einen glitschigen braun und purpurnen Fleischlappen aus dem Eimer hervor und wirft ihn ihr hin.
Die kleine Penny Blake stürzt sich auf die menschliche Niere, die mit einem nassen Klatschen auf den Fliesen aufgekommen ist, und zieht und zerrt an ihren Ketten. Sie schnappt sich das Organ mit ihren zwei kleinen Händen und schlingt das menschliche Gewebe mit wilder Hingabe hinunter, bis das braune Blut ihre Finger hinabläuft und ihr Gesicht die Farbe von Schokolade hat.
»Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr, Schatz«, sagt der Governor und macht sich an den Korken der Champagnerflasche. Zuerst will er nicht herauskommen, aber der Governor bearbeitet ihn so lange, bis er die Flasche endlich offen hat. Die sprudelnde goldene Flüssigkeit schäumt über den Rand und tropft zu Boden. Er hat keine Ahnung, ob es wirklich Silvester ist, weiß nur, dass es während der nächsten paar Tage so weit ist. Es könnte also auch heute Nacht sein.
Er starrt auf die sich ausbreitende Pfütze Champagner auf dem Boden. Der Schaum verschwindet in den Fugen. Er erinnert sich an das Silvester, das er aus seiner Kindheit kennt.
Damals hat er sich schon Monate vorher auf diesen Abend gefreut. In Waynesboro haben er und seine Kumpel immer ein ganzes Schwein bestellt, es sich am dreißigsten liefern lassen, um es dann ganz langsam in der Erde hinter dem Haus mit heißen Steinen im hawaiianischen Luau-Stil garen zu lassen. Das Fest hat sich stets über zwei Tage hingezogen. Die örtliche Bluegrass-Band, die Clinch Mountain Boys, spielten die ganze Nacht durch, und Philip hat sich immer das beste Gras besorgt. Die erste Nacht wurde überhaupt kein Auge zugemacht, und Philip hat immer eine Frau gefunden, die sich seiner erbarmte …
Der Governor blinzelt. Er kann sich nicht daran erinnern, ob das jetzt Philip Blake oder Brian Blake war. Er weiß nicht mehr, wo ein Bruder aufhört und der andere beginnt. Er starrt zu Boden, blinzelt erneut, sieht sein trübes, milchiges, verzerrtes Spiegelbild in der Lache Champagner. Sein Schnurrbart hat die Farbe von Lampenruß, die Augen liegen tief im Schädel, glitzern mit einem Anflug von Wahnsinn. Er schaut sich selbst an, sieht, dass Philip Blake zurückstarrt. Aber irgendetwas stimmt nicht. Philip sieht nämlich auch eine geisterhafte Maske, die über sein Gesicht gestülpt ist – ein fahles, ängstliches Scheinbild namens Brian.
Pennys wässrige, verzerrte Fressgeräusche treten in den Hintergrund, verschwinden beinahe, als Philip die Flasche ansetzt. Die Flüssigkeit und die Kohlensäure brennen in der Kehle. Der Geschmack erinnert ihn an bessere Zeiten, an Feiertage und Ferien, an Feste, an Familienfeiern, an denen man Nahestehende nach langer Zeit endlich wieder sieht. Es zerreißt ihn innerlich. Er weiß, wer er ist: Er ist der Governor , er ist Philip Blake, der Mann, der die Sachen anpackt .
Aber.
Aber …
Brian beginnt zu weinen. Er lässt die Flasche los, und mehr Champagner fließt über die Kacheln hin zu Penny. Sie hat keine Ahnung von dem unsichtbaren Krieg, der in diesem Moment im Kopf ihres Wärters tobt. Brian schließt die Augen, die Tränen strömen trotzdem über seine Wangen, bilden Rinnsale.
Er weint all den vergangenen Silvestertagen nach, den freudigen Momenten, die er mit Freunden verbracht hat … mit seinem Bruder. Er weint für Penny, für ihren traurigen Zustand, für den er sich die Schuld gibt. Er kann sich des Bildes nicht erwehren, das ihm jetzt immer wieder vor Augen schwebt: Philip Blake liegt in einem kalten, blutigen Haufen neben einem Mädchen – am Waldrand etwas nördlich von Woodbury .
Während Penny frisst, schlürft und schmatzt und Brian vor sich hin weint, ertönt ein unerwartetes Geräusch aus der Wohnung.
Jemand klopft an seine Tür.
Es dauert eine Weile, ehe der Governor das Geräusch überhaupt wahrnimmt. Das Klopfen hat einen kurzen, zögerlichen Rhythmus, lässt aber nicht nach, bis Philip endlich aus seiner Erstarrung gerissen wird.
Seine Identitätskrise ist wie weggeblasen. Der Vorhang vor seinem Gehirn hat sich zurückgezogen.
Jetzt ist es definitiv Philip , der sich auf die Beine rafft, den Chirurgenhandschuh von der Hand pellt, sich abklopft, das vollgesabberte Kinn mit dem Pulloverärmel abwischt, die Stiefel anzieht, die langen Strähnen aus den Augen streift, die Emotionen runterschluckt, aus der Kammer geht und die Tür hinter sich abschließt.
Es
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