The Walking Dead 2: Roman
ist. Wie hat sie es geschafft, so lange zu überleben, ohne verschlungen zu werden? Sie hat so viel durchgemacht, so viel erlebt, und jetzt kann sie sich nicht einmal gegen ein paar sexistische Arschlöcher wehren?
»Passt auf … Wisst ihr was? All das ist nicht nötig«, hört sie Josh sagen.
Lilly blickt ihn an und sieht, wie sein riesiger Kiefer vor Nervosität zu zucken beginnt. Sie fragt sich, was er wohl damit meint – dass Lilly keine Sexdienste leisten muss, oder dass diese Gangster keine rohen, chauvinistischen Bemerkungen ihr gegenüber machen sollen. Auf einmal ist es ganz still im Laden. Sam der Metzger wendet sich Josh zu.
»Überleg es dir gut, Hüne.« Ein Funke der Verachtung glüht in den Augen des Metzgers. Er wischt sich die schmierigen Hände an seiner Schürze. »Die kleine Lady hat einen Körper an sich, von dem du dich monatelang mit Steak und Eiern ernähren könntest.«
Der Rest der Männer fängt laut zu lachen an, aber der Metzger verzieht kaum seine grimmige Miene. Sein teilnahmsloses Starren ist mit der Intensität eines Schweißers auf Josh gerichtet. Lilly spürt, wie ihr Herz zu rasen beginnt.
Sie legt eine Hand auf Joshs Arm, und sie spürt, wie jeder seiner Muskeln unter der Holzfällerjacke bis aufs Äußerste gespannt ist. »Los, Josh«, haucht sie ihm zu. »Ist schon gut. Nimm deine Uhr, und wir verschwinden von hier.«
Josh lächelt die Kerle an. »Steak und Eier. Der ist nicht schlecht. Aber hört zu, ihr könnt die Uhr behalten. Wir nehmen das Angebot an.«
»Los, holt ihr Essen«, befiehlt der Metzger, ohne die Augen von Josh zu nehmen.
Die beiden Wachen verschwinden für einen Moment im Lager und sammeln alles zusammen. Kurz darauf erscheinen sie mit einer hölzernen Kiste voller fettiger, brauner Papiertüten. »Vielen Dank«, sagt Josh und übernimmt die Kiste. »Dann gehen wir mal wieder. Schönen Tag noch.«
Josh führt Lilly zur Tür, aber sie kann jeden einzelnen Blick der Männer spüren, die jedes Wippen ihres Hinterteils auf dem Weg nach draußen genauestens verfolgen.
Am Nachmittag lockt ein Tumult auf einem der unbebauten Grundstücke die Aufmerksamkeit der Bewohner auf sich.
Außerhalb der sicheren Zone, hinter einem Wäldchen, ertönt eine Reihe ekelerregender Schreie. Auch Josh und Lilly kriegen es mit und rennen den Zaun entlang zum Rand der Bauarbeiten, um zu sehen, was dort vorgeht.
Als sie einen kleinen Schotterhügel erklimmen und in die Ferne schauen, dringen drei Schüsse an ihre Ohren. Sie stammen aus der Richtung hinter dem Wäldchen in circa hundertfünfzig Metern Entfernung.
Sie gehen in Deckung. Die Sonne ist bereits kurz vorm Untergehen. Der Wind weht ihnen ins Gesicht, während sie in die Ferne stieren und fünf Männer in der Nähe eines Lochs im Zaun sehen. Einer der Männer – Blake, der selbst ernannte »Governor« – trägt einen langen Mantel und hält eine Waffe in der Hand. Sie können die Anspannung bis zu ihrem Versteck spüren.
Auf dem Boden vor Blake, in den Maschen und Drähten des kaputten Zauns verheddert, liegt ein Teenager. Das Blut sprießt aus seinen Bisswunden. Er kratzt den Boden mit seinen Fingern auf, versucht verzweifelt, sich zu befreien, endlich wieder nach Hause zu gelangen.
Im Schatten des Waldes, direkt hinter ihm, sind drei tote Zombies auf einen Haufen gestapelt, die Köpfe von Kugeln durchlöchert. Lilly sieht das erst kürzlich Geschehene plötzlich vor ihrem inneren Auge:
Der Junge ist wohl allein in den Wald gegangen, wollte ihn erkunden und ist angegriffen worden. Jetzt, schlimm verletzt und infiziert, versucht er, wieder in Sicherheit zu gelangen, zuckt vor Schmerzen und Entsetzen zusammen, während Blake ohne jegliche Emotionen über ihm steht und ihn mit den teilnahmslosen Augen eines Bestatters anblickt.
Lilly zuckt, als der Schuss von Philip Blakes 9-mm bis an ihre Ohren vordringt. Der Schädel des Jungen explodiert, und der Körper sackt leblos zu Boden.
»Ich mag das hier nicht, Josh. Überhaupt nicht.« Lilly sitzt auf der hinteren Stoßstange von Bobs Truck und nippt an einem lauwarmen Kaffee in einem Pappbecher.
Die Dunkelheit ist hereingebrochen, legt sich über ihren zweiten Abend in Woodbury. Die Stadt hat Megan, Scott und Bob bereits in sich aufgesogen, wie ein komplexer Organismus, der sich von Furcht und Verdacht ernährt und ständig neue Lebensformen akquiriert. Man hat den Neuankömmlingen eine Wohnung angeboten – ein Studio-Apartment über einem mit Brettern
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