The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
uns umzubringen, wenn wir ihr Gespinst aus Lügen in Gefahr brachten.
Alles war gepackt – bis auf die Möbel. Larry hatte einen alten Viehanhänger aufgetrieben und hergerichtet, sodass wir die Kühe nicht schlachten mussten, sondern sie mitnehmen konnten. Ihre Milch war wichtiger als ihr Fleisch.
Es war sehr seltsam, sich vorzustellen, dass dies unser letzter Abend auf dem Weingut sein würde. Wir würden ein neues Safe-haven, ein neues Zuhause finden, doch ich wollte nicht weg von hier. In den Weinbergen war es so friedlich, und man konnte sich dort der Illusion hingeben, in einer anderen Zeit zu leben. Im anderen Leben.
Karen und ich lächelten uns an, als wir den Tisch deckten. Die Teller und das Besteck hatten kaum darauf Platz. Wir würden so dicht gedrängt sitzen, dass niemand beim Essen die Ellbogen auf den Tisch legen konnte. Inzwischen hatte ich ihnen verziehen, dass sie über unsere Köpfe hinweg die Entscheidung getroffen hatten, Safe-haven zu verlassen. Joshua dagegen war immer noch stinksauer.
Eigentlich hatte ich seit dem Zeitpunkt, an dem er von dem Zaun erfahren hatte, gespürt, wie es in ihm brodelte. Er fühlte sich verraten, weil Geoffrey ihm nichts davon erzählt hatte. Vielleicht kam er sich jetzt ziemlich dumm vor, weil er einem Mann vertraut hatte, mit dessen Hilfe das Virus überhaupt erst entwickelt worden war. Aber Joshua wollte nicht darüber reden, und ich wollte ihn nicht drängen. Ich wollte uns unseren letzten Tag in Safe-haven nicht verderben.
Marie rührte in dem großen Topf mit Tomatensoße. So gut wie alle Mahlzeiten hier bestanden aus Tomaten und roten Paprika, aber noch hatte ich mich nicht daran sattgegessen. Nach 1 141 Tagen ohne frisches Gemüse hatte ich einen gewaltigen Nachholbedarf.
Marie hatte mir gesagt, dass sie morgen die Kartoffeln ernten würde, damit wir sie zu unserem neuen Zuhause mitnehmen konnten – wo immer das sein würde. Wir hatten vor, in der Nähe des Ozeans zu bleiben. Die Erwachsenen wollten auf keinen Fall das Risiko eingehen, in die Nähe des Zauns zu kommen.
»Guck mal, Sherry!«, sagte Mia aufgeregt. Ich drehte mich zu ihr um. Sie hielt mir ein Blatt Papier mit ihrem Vor- und Nachnamen in Großbuchstaben darauf entgegen und strahlte übers ganze Gesicht.
»Larry sagt, dass ich schnell lerne!« Sie sah zu Larry hinüber, der ihr am Tisch gegenübersaß. Er grinste mich an. Seit ein paar Tagen spielte er den Lehrer. Er versuchte, Emma beizubringen, bis fünf zu zählen und hatte Mia ihren eigenen Namen und die Namen aller anderen Bewohner von Safe-haven schreiben lassen. Er unterrichtete für sein Leben gern, und Mia und Emma waren zwei wissbegierige Schülerinnen. Er hatte auch vorgeschlagen, mir und Bobby etwas beizubringen, aber bisher hatten wir noch nicht die Zeit dazu gefunden. Außerdem waren Bobby und ich nicht sehr angetan von der Vorstellung, die Nasen in Schulbücher zu stecken.
Mom half Dad auf einen Stuhl. Sie stützte ihn, indem sie einen Arm um seine Hüfte gelegt hatte. Das war erst das zweite Mal, dass er das Bett verlassen hatte. Sein Bein war noch nicht verheilt, aber immerhin war die Schwel lung zurückgegangen. Doch nach wie vor konnte er es nicht belasten. Unsere Suche nach einem neuen Safe-haven würde ihn viel Kraft kosten.
Mit einem Stöhnen ließ sich Dad auf den Stuhl fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Karen hatte mir gesagt, dass er das Bein möglicherweise nie mehr richtig würde bewegen können. Genau wie Larry. Aber solange er von der Tollwut verschont blieb, konnte ich damit leben. Sein Fieber und die Schweißausbrüche dagegen machten mir Angst. Karen wollte nach wie vor nichts darüber sagen. Aber was, wenn er sich bereits in einen Weeper verwandelte und sie nur deshalb schwieg, weil wir sowieso nichts tun konnten?
Mom lächelte ihn an und wandte sich dann uns zu. »Kann ich helfen?« Ihre Haut war nicht mehr so grau. Sie war immer noch blass, aber sie sah jetzt wenigstens nicht mehr wie eine lebende Tote aus. Sowohl Dad als auch Mom hatten zugenommen, obwohl sie immer noch viel zu dünn waren. Ich wünschte, ich müsste mir nicht mehr so viele Sorgen um sie machen.
Karen schüttelte den Kopf und deutete auf den gedeckten Tisch. »Wir sind schon fertig. Setzt euch.«
»Essen!«, rief Marie. Ein paar Sekunden später betrat Joshua die Küche. Tyler und Rachel folgten ihm. Nur Geoffrey fehlte noch. Seit gestern hatte ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen.
Alle setzten sich. Stühle
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