The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
gleichzeitig erschrocken und verwirrt an. Mich dagegen überkam eine düstere Vorahnung.
»Was hast du gesagt?«, fragte Joshua.
»Sie werden uns nicht retten.« Tylers tiefe, raue Stimme war so leise, dass ich die Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen.
»Was soll das heißen, sie werden uns nicht retten? Woher willst du das wissen? Das verstehe ich nicht, Tyler.« Karen ging zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Er zuckte zusammen, als ob sie ihn geschlagen hätte. Karen warf Larry einen bedeutungsvollen Blick zu. Of fensichtlich dachte sie, dass Tyler nun endgültig den Verstand verloren hatte. Ich dagegen war mir ziemlich sicher, dass seine Worte nicht die eines Wahnsinnigen waren.
»Ich war da, auf der anderen Seite.« Er drückte eine Wange gegen das Knie und umklammerte seine Beine so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er sah völlig verloren aus und viel jünger, als er eigentlich war.
»Welche andere Seite?«, fragte ich sanft, um ihn nicht zu erschrecken.
»Auf der anderen Seite des Zauns.«
Larry fasste sich an den Nasenrücken und schob die Brille hoch. »Zaun. Kapier ich nicht. Welcher Zaun?«
Geoffreys Miene verfinsterte sich, als hätte er Angst vor dem, was Tyler als Nächstes sagen würde.
»Es gibt einen Zaun.« Tyler holte Luft. Er musste um jedes Wort ringen. »Ein Zaun, der uns und die Weepers umgibt. Er trennt uns … trennt uns vom Rest des Landes.« Er schluckte. »Hinter dem Zaun ist eine andere Welt. Eine Welt, in der das Leben weitergeht, als w … wäre nichts passiert.« Tyler zitterte immer noch, als würden ihm seine eigenen Worte mehr Angst machen als der Hubschrauber.
Das ergab doch keinen Sinn. Wie konnten sie da drau ßen in aller Ruhe einfach so weitermachen, wenn wir hier jeden Tag ums Überleben kämpften?
»Woher weißt du das?«, fragte ich.
»Nachdem ich den öffentlichen Bunker verlassen hatte, bin ich mit ein paar anderen auf der Suche nach Überlebenden durchs Land gezogen. Dann ist ein Hubschrauber über uns aufgetaucht. Sie haben auf uns geschossen. Ich wurde von einem Betäubungspfeil getroffen. Danach kann ich mich an nicht mehr viel erinnern. Ich hatte wohl das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam, war ich in einem Labor. An einen Tisch gefesselt. Auf der anderen Seite. Hinter dem Zaun.«
Einerseits hatte ich das Verlangen, mir die Ohren zuzuhalten. Ich wollte nichts mehr hören. Andererseits wollte ich so viel wie möglich darüber in Erfahrung bringen.
»Sie haben uns als Versuchskaninchen für den Tollwuterreger missbraucht. Sie sind alle gestorben.« Er schloss die Augen, als könnte er dadurch alles vergessen. Aber ich wusste genau, dass das nicht funktionierte. Sämtliche Erinnerungen, die ich so verzweifelt zu vergessen suchte, wurden nur noch lebhafter, wenn ich meine Augen schloss.
Wir schwiegen eine Zeit lang. Ich war wie erstarrt, und den anderen ging es nicht besser. Meine Finger fühlten sich taub an, und langsam breitete sich die Taubheit über meinen ganzen Körper aus. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da hörte.
Mom ergriff als Erste das Wort. »Das würden sie niemals tun.«
Geoffrey verzog das Gesicht. »Doch, das würden sie«, sagte er mit unergründlicher Miene. »Glaubt mir. Als ich noch Wissenschaftler war, habe ich viel mitbekommen. So viel, dass ich meinen Glauben an die Menschheit fast verloren hätte.«
Karen ging neben Tyler in die Hocke. »Wie bist du von dort entkommen? Haben sie dich freigelassen?«
Ein ersticktes Lachen kam über seine Lippen. »Nein. Wenn man einmal im Labor ist, wird man nie wieder freigelassen. Ich bin geflohen. Tagelang habe ich mich in verlassenen Gebäuden versteckt. Dann habe ich den Zaun entdeckt. Die anderen Gefangenen hatten mir davon erzählt, aber ich habe ihnen nicht geglaubt. Dann hab ich einen Tunnel gefunden. Er war ziemlich baufällig, aber ich hatte keine Wahl.« Er erschauderte.
»Als ich auf dieser Seite des Zauns wieder rauskam, hatte ich starkes Fieber. Ich rannte und rannte, ohne anzuhalten. Dann weiß ich nichts mehr. Ich erinnere mich nur noch, wie ich hier aufgewacht bin.«
»Das tut mir so leid, Tyler.« Rachel ging ebenfalls in die Hocke und legte einen Arm um seine Schultern.
Ich konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, was Tyler durchgemacht hatte. Ich an seiner Stelle hätte das alles wohl nicht überlebt. Kein Wunder, dass er danach kein Wort mehr gesprochen hatte.
Larry schüttelte den Kopf. »Aber wieso haben wir keinen
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