The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
hab keinen Durst. Lässt du mich kurz mit deiner Mutter allein? Ich muss unter vier Augen mit ihr sprechen.«
Mom sah zwar nicht so aus, als wäre sie zu einer vernünftigen Konversation in der Lage, aber ich küsste trotzdem Dads Wange und verließ den Raum. Bobby und Karen waren bereits gegangen, nur Joshua wartete noch auf mich. Ich nahm seine Hand, und er führte mich zu der Ziegelmauer, auf der wir so gerne saßen und Safe- haven betrachteten. Ohne ein Wort über meine Tränen zu verlieren zog er mich auf den kalten Stein. Wir streck ten uns nebeneinander aus und starrten in den Himmel. Ich war so wütend. Wieso schien die Sonne, als ob überhaupt nichts passiert wäre? Wieso ging sie jeden Morgen auf, obwohl doch so viele Menschen gestorben waren?
Wenn ich doch nur etwas an diesem Elend ändern könnte.
Ein paar Stunden später ging ich schweigend mit Karen zum Cottage hinüber. Die abendliche Kühle kroch in mei ne Knochen. Mein Magen knurrte. Ich hatte mich nicht dazu überwinden können, das Abendessen hinunterzuwürgen.
Karen wollte vor Einbruch der Dunkelheit noch einmal nach Dad sehen. Wenn es ihm besser ging, konnten wir Safe-haven morgen tatsächlich verlassen. Ich klopfte, trat ein – und blieb wie erstarrt stehen. Mom kauerte mit dem Rücken an der Wand auf dem Boden und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Das Bett war leer.
Ich rannte zur Tür, die zum kleinen Badezimmer führte, und riss sie auf. Nichts. Panik ergriff mich, als ich zu Mom hinübertaumelte. »Wo ist Dad?« Ich schüttelte sie. »Mom? Wo ist er?«
Sie hob den Kopf und sah mich aus leeren Augen an. »Weg.«
»Weg?«, fragte Karen, die in der Tür stand. Ich hatte ganz vergessen, dass sie auch noch da war.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Er ist während des Abendessens verschwunden.«
»Aber wie? Und warum?«
»Er hat Geoffreys Auto genommen.«
»Deshalb wolltest du auf Geoffreys alter Stereoanlage Musik hören«, sagte ich. »Damit man den Motor nicht hört. Und der Kombi macht am wenigsten Krach.«
Ich schloss die Augen. Übelkeit stieg in mir auf. Alle Autoschlüssel steckten immer in den Zündschlössern, da mit wir im Notfall schnell fliehen konnten.
Ich funkelte Mom böse an. »Warum hast du das getan? Wieso hast du ihn wegfahren lassen? Was hast du dir dabei gedacht?«
»Er wollte es so. Er wusste, was passieren würde.« Sie starrte auf Dads Ehering in ihrer Handfläche.
»Du hättest ihn aufhalten müssen!«
Sie zuckte zusammen, aber das war mir egal. »Du hast ihn in den Tod geschickt. Verstehst du das denn nicht?«
» Er hat diese Entscheidung getroffen. Ihm bleibt nicht viel Zeit, bevor er sich in etwas verwandelt, das er … das er nie sein wollte. Das wusste er genau«, flüsterte Mom.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen.
»Was ist los?«, fragte Joshua. Geoffrey, Bobby und Larry erschienen hinter ihm in der Tür.
Bobby wurde bleich. »Wo ist Dad?«
Mom redete weiter, als wären sie gar nicht da. »Dein Dad wollte uns vor dem beschützen, in das er sich verwan delt. Er wollte nicht, dass wir ihn als … Weeper sehen.«
»Dein Dad ist weg?«, fragte Joshua und eilte an meine Seite.
»Er hat den Kombi genommen«, sagte Karen.
»Das war vor einer knappen Stunde. Wenn wir jetzt aufbrechen, könnten wir ihn noch einholen.«
Bobby stützte sich an der Wand ab. Er war leichenblass. So hatte ich ihn noch nie gesehen.
Ich sah Joshua hilfesuchend an. »Du bist ein erfahrener Jäger. Wir werden ihn aufspüren, bevor es zu spät ist, nicht wahr?«
»Von den ersten Symptomen bis zur kompletten Ver wandlung dauert es etwa sechs bis acht Tage«, sagte Karen.
Das war Zeit genug. »Bitte, Joshua.«
»Sherry …«
»Nein!«, rief ich. »Wir können ihn doch nicht einfach sterben lassen. Ohne Hilfe wird er nur ein paar Tage durch halten.«
»Dein Dad wusste genau, worauf er sich da einließ«, sagte Karen bestimmt. »Er hat akzeptiert, was du immer noch nicht begreifen willst. Er verwandelt sich in einen Weeper, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können.« Karen hielt meinem Blick stand.
»Dein Dad wollte seine letzten Tage in unserem Zu hause in L.A. verbringen«, sagte Mom mit sanfter Stimme. »Dort ist er sicher vor den Weepers und vor sich selbst – so kann er niemanden verletzen, wenn er sich in ein Unge heuer verwandelt. Wer weiß, vielleicht hat er auch Glück und ist gegen das Virus immun? Dann kommt er zurück, sobald das Fieber vorbei ist.«
»Aber wir müssen ihm
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