Thekenwelt - Apéritif pour trois (German Edition)
ersten Tag zu spät kommen.
Die Uhr zeigte Viertel vor sechs. Wenn er das Haus verließ, bevor die beiden aufwachten, müsste er gar nichts erklären. Und für morgen würde er sich etwas anderes einfallen lassen.
Lautlos schlich Tornado sich auf Zehenspitzen ins Badezimmer, putzte sich die Zähne, während er seinen Unterschenkel mit dem großen Zeh des anderen Fußes kratzte, strubbelte sich Leitungswasser in sein ungekämmtes Haar und zog sich an. Auf der Theke hinterließ er einen Zettel.
Morgen ihr Homos, konnte nicht schlafen, deshalb bin ich raus. Bis denn. T.
Er setzte sich in eine der Schnellimbissketten und trank Kaffee aus einem braunen Pappbecher, während er lustlos in eine, eben noch in Papier gewickelte Frühstückskreation biss, die in allen Ländern der Welt gleich schmeckte. Vor dem Fenster des leeren Schnellrestaurants rieb sich die erwachende Stadt blinzelnd die Augen und begrüßte ihre Bewohner, die begannen sich den Asphalt unter ihren Füßen zurückzuerobern. Ein Straßenreinigungswagen schob sich schwerfällig in der morgendlichen Dunkelheit den Rinnstein entlang.
Der Kindergarten war auch nachmittags geöffnet und Wendy bat ihn über Mittag zu bleiben, weil das große dreimonatige Spielzeug-Säuberungs,- und Entkeimungs-Event anstand. An diesem Tag schloss der Kindergartenbetrieb nachmittags und die Erzieherinnen putzen Legosteine, staubten Bauklötze ab, steckten Plüschtiere in die Waschmaschine und taten all das, wovor Tornado eigentlich geflohen war. Trotzdem war es kein schlechtes Gefühl, die unglaubliche Menge an Spielzeugen gemeinsam für die kleinen Doofis hergerichtet zu haben. Obwohl sie vermutlich nicht einmal bemerkten, dass sie ihre sabbernden Münder gedankenverloren gegen Holzmemory und Plastikpuppengeschirr drückten.
Als Tornado in die leere Wohnung kam, konnte er sich nicht zum Putzen aufraffen. Er war erschöpft, die Arbeit war ungewohnt für ihn gewesen und er fand, sich eine Erholungspause zu verdienen.
Er hörte erst Kais Schlüssel und dann sein Schimpfen: „Oh Mann, wie sieht's denn hier aus?“ Das Geschirr war ungespült, der Boden staubig und das Schlafzimmer sprenkelten ungewaschene Klamotten.
„Mach ich später“, murrte Tornado, der über ein paar Kinderbüchern, die er in der Bahnhofsbuchhandlung hatte mitgehen lassen, brütete. Schließlich musste er herausfinden, was die Kinder von heute so erzählt bekamen. Die meisten Bücher waren definitiv Schrott. Aber in eines hatte er sich verliebt. Morgen würde er beginnen, es den kleinen Raupen vorzulesen. Wenn sein musste, würde er sie an den blöden Winzstühlen festbinden, wenn sie nicht freiwillig zuhörten. Er kicherte beim Lesen.
„ Ist das jetzt irgendwie ne Altersregression oder warum liest du Blimpi hat Angst vor dem Wasser ?“, fragte Kai neugierig.
„ Ich schreib vielleicht ein Kinderbuch“, behauptete Tornado und Kai setzte sich ungläubig schnaubend auf die Bettkante zu ihm. Er versenkte seine Nase in das blonde Haar, schnupperte entzückt den tornadoeigenen Duft und drückte ihm einen Kuss auf den Kopf. „Soll ich dir nicht helfen, hier aufzuräumen?“, murmelte er in die blonden Strähnen.
„ Denk doch ans letzte Mal, nee lass, ich kann das immer noch heute Abend oder irgendwann machen.“
Kai seufzte. Letztlich war es Tornados eigenes Problem, wenn er sich immer wieder in Schwierigkeiten brachte. „Mein Referat war übrigens ganz okay, danke der Nachfrage“, setzte Kai ihn in Kenntnis.
„Oh Mist, das habe ich völlig vergessen! Durftest du ablesen?“
„ Ja.“
„ Und was hast du für eine Note bekommen?“
„ Drei plus, was heißt, dass ich in Geschichte gerettet bin. Jetzt muss ich bei Bio noch Gas geben und vielleicht habe ich dann in einem halben Jahr mit ein bisschen Glück endlich meinen Basisschulabschluss in der Tasche.“
Tornado sah ihn respektvoll an. „Hut ab. Vielleicht schaffst du es ja echt dieses Mal.“
„Ich versuchs … wie ist denn das Buch?“
„ Soll ich dir was vorlesen?“ Kai war das geeignete Testobjekt.
„ Na klar.“
Er griff nach dem neuen Buch und gab sich große Mühe den Text nicht so überhastet wie sonst vorzutragen, sondern ruhig und bedächtig; kindgerecht eben. Mit Vergnügen nahm er zu Kenntnis, dass Kai dieselben Stellen liebte, und freute sich, wie es ihm gelang, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten.
Mit einer aufgeplatzten schweren Tüte im Arm klingelte Biscuit, um die Einkäufe nicht
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