Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
hatten mein Geschrei offenbar doch gehört, immer mehr bewaffnete Amazonen kamen mir entgegengerannt, um sich den Marodeuren in den Weg zu stellen. Hatte der Brand zuvor noch für Chaos gesorgt, herrschte jetzt vollkommene Disziplin. Die Tür zur Waffenkammer stand offen, vier Amazonen hatten unverzüglich begonnen, Waffen an die anderen zu verteilen, die, sobald sie ausgestattet waren, in Richtung der Angreifer losstürzten. Alles lief nach Plan, jede hielt sich an den Ablauf, der unzählige Male geübt worden war, von Kindesbeinen an. Mit dem Unterschied, dass niemals jemand davon ausgegangen war, dass wir uns innerhalb der Stadtmauer einer Übermacht von Vatwaka gegenüber sehen würden, unterbesetzt und zusätzlich geschwächt durch die Auswirkungen des Brandes, der immer noch außer Kontrolle war.
Ich ließ mich vom nüchternen Pflichtbewusstsein meiner Schwestern anstecken. Waffe holen. Kämpfen. Feind vernichten. Keine Panik. Kein Zweifel. Keine Gefangenen.
Polly kam mir entgegengelaufen. Zuerst dachte ich, sie hätte wieder den Autopiloten eingeschaltet, aber sie reagierte tatsächlich auf mich, stoppte kurz und fuhr mich an, als trüge ich die Verantwortung für all das: „Was ist los? Wie konnten sie so nahe herankommen?“
„Es war alles geplant – das Feuer, der Angriff, alles. Sie hatten jemanden bei uns eingeschleust“, gab ich knapp zurück.
Polly riss ungläubig die Augen auf, dann verschmälerten sie sich vor Zorn. „Mato“, stieß sie aus. „Ich hab's gewusst. Elender Verräter.“ Sie wollte losstürmen, offenbar mit dem Ziel, ihn zu lynchen, aber ich erwischte sie noch an der Schulter und hielt sie fest.
„Es war nicht Mato. Es war John.“
„Sicher?“ Es kam mir so vor, als sähe sie mir zum ersten Mal richtig in die Augen, seit wir aus Tasek zurück waren.
„Todsicher“, erwiderte ich fest. „Mato würde das niemals tun. Er liebt dich, begreif das doch endlich.“
„Sicher!“, fauchte sie und hob ihr Schwert, als wolle sie damit die Wahrheit abwehren. Oder auch nur die Überbringerin der Wahrheit, deshalb ließ ich sicherheitshalber ihre Schulter los. Sie warf mir noch einen finsteren Blick zu, dann rannten wir beide unserer Wege in entgegengesetzte Richtungen.
Ich sah Kala, die völlig reglos dastand und mit großen Augen zum Hofeingang starrte, einen Kübel voll Wasser in den verkrampften Händen.
„Hau ab!“, schrie ich ihr im Laufen zu. „Lauf weg. Versteck dich!“ Das war nicht ihr Kampf.
Wie konnte es soweit kommen, dass es meiner ist?
Sie wandte langsam den Kopf und blickte mich wie paralysiert an. Dann schien ihr Verstand wieder einzuschnappen, sie ließ den Eimer fallen und rannte in Richtung der Arbeiterquartiere.
Als ich schwer atmend in die Waffenkammer stolperte, war ich eine der Letzten, die noch nicht ausgerüstet war. Ohne viel Federlesens schnappte ich mir das erstbeste Schwert, das mir unterkam, und stürmte wieder nach draußen.
Ich wusste, dass ich gebraucht wurde, dennoch konnte ich nicht anders, als einen geschockten Moment lang zu verharren. Ich versuchte zu erfassen, was gerade geschah, was diesen friedlichen Ort dermaßen entstellt hatte, den ich so gut kannte und doch so noch nie gesehen hatte. Das Klirren der aufeinander treffenden Klingen, das Sirren gelöster Pfeile, Kampf- und Schmerzensschreie, vereinzelte Schüsse. Fünfzig, Sechzig, Siebzig … Immer noch stürmten sie durch das Tor und brandeten gegen die Verteidigungsmauer, die die Amazonen gebildet hatten. Im Licht der Flammen sah ich das Gewühl der Kämpferinnen und Andraket , umgeben von all den Dingen, die aus der brennenden Lagerhalle gezerrt worden waren und jetzt Stolperfallen und Deckungsmöglichkeiten zugleich bildeten.
In meinem Entsetzen erkannte ich die einzelnen Gesichter nicht aus der Masse heraus, abgesehen von Jacintha, die mir am nächsten stand und mit einer Armbrust zielsicher auf alles schoss, was weder Amazone noch Arbeiter war und sich weit genug aus dem direkten Kampfgetümmel herauswagte. Aber ich wusste, dass Polly da irgendwo war, und um ihr Leben und ihre Stadt kämpfte, genau wie Victoria, Corazon und nicht zuletzt Louis.
Dennoch brauchte es einen mit erhobener Axt auf mich zuspringenden Marodeur, um mich zu mobilisieren. In letzter Sekunde wich ich der Schneide aus, die auf mich heruntersauste und sich in einer Holzkiste festfraß, da der Mann ihren Schwung nicht mehr abbremsen konnte. Den kurzen Moment, in dem er sich vorbeugte und versuchte, die
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