Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
spürte ich, dass mir jede Muskelfa ser im Leib wehtat.
„Bringt die verletzten Amazonen in die Klinik. Seht nach Corazon, sie ist auch verwundet und muss sich irgendwo im Produktionstrakt aufhalten. Versucht, den Brand einzudämmen, und bringt die Sachen, die noch nicht vollkommen zerstört sind, in die Trainingshalle. Stellt eine neue Einheit für die Wache zusammen und besetzt das Tor und den Turm. Ich glaube nicht, dass heute noch etwas passiert, aber wir werden uns nicht nochmal so überrumpeln lassen. Ich werde den Flüchtigen hinterherreiten, wer möchte, kann sich anschließen. Vielleicht erwischen wir sie noch …“
Jemand zupfte an meinem Ärmel. Ich wandte mich um und fand Victoria vor, die einen Seitenblick auf Polly warf. „Ell, du kannst jetzt nicht weg. Du musst dich um Polly kümmern“, sagte sie eindringlich. „Ich werde die Vatwaka verfolgen.“
Ich wollte ihren Vorschlag abschmettern. In mir brodelte immer noch der Zorn auf die Marodeure und der Wunsch nach Rache drängte mich, augenblicklich die Verfolgung aufzunehmen … dann sah ich Polly an und ihr desolater Anblick brach mir fast das Herz. Ich wusste nicht, ob sie mich an sich ranlassen würde. Aber ich musste es zumindest versuchen.
„Ich komme mit“, sagte Clonie entschlossen. „Wir werden diese elenden Bastarde aufspüren.“
„Ich bin auch dabei“, verkündete Andromache und Irina und einige andere nickten grimmig.
Ich rieb mir die Stirn, versuchte, Wut und Rache wegzurubbeln. „Okay … Aber tötet sie nicht, wenn ihr sie aufgespürt habt. Vielleicht erfahren wir durch sie die Hintergründe und mögliche andere Pläne. Bringt sie hierher. Atalante soll über ihren Verbleib entscheiden, wenn sie wieder zurück ist. In der Sattelkammer ist der Verräter eingeschlossen. Steckt auch ihn ins Verlies.“
Sie zögerten keine Sekunde, meinen Anweisungen Folge zu leisten, die Aufgaben unter sich zu verteilen und die übrigen Frauen in Kenntnis zu setzen. Binnen einer Minute hatte sich die Gruppe um uns zerstreut und ich ließ mich wieder neben Polly auf den Boden fallen. Sie hatte Matos Oberkörper auf ihren Schoß gezogen und zupfte ratlos an seiner Jacke.
„Ell, er ist tot!“, sagte sie, als hätte sie es gerade erst begriffen.
„Er hat gesagt, er würde auf dich aufpassen, und das hat er getan“, teilte ich ihr so sanft wie möglich mit. Ich brachte es nicht mehr fertig, in Matos lebloses, gelöstes Gesicht zu sehen, und wandte mich Polly zu. Vorsichtig streichelte ich über ihre Wange, verschmierte winzige Blutspritzer zu dünnen roten Linien. Sie wich nicht zurück, bemerkte meine Berührung vielleicht gar nicht.
„Warum?“ Ihre Stimme zitterte.
„Das hat er dir mehr als einmal gesagt.“
„Weil er mich liebt?“
„Ja.“ Ich unterließ es, sie darauf hinzuweisen, dass die Vergangenheitsform angebrachter wäre. Abgesehen davon – niemand konnte wissen, was nach dem Tod geschah. Und egal, was es war – so, wie ich seine Beharrlichkeit kennengelernt hatte, würde es ihn nicht davon abbringen, meine kleine Schwester weiterhin zu lieben.
„Aber ich bin doch eine Amazone“, stieß sie hervor, als wäre das ein Hinderungsgrund.
„Polly, ich bringe dich jetzt besser hinein.“ Behutsam legte ich ihr einen Arm um die Schulter, um sie von der Leiche wegzuziehen, aber sie riss sich energisch los.
„Nein!“ Ihr Schrei gellte über den Hof. Sie warf sich über Mato, klammerte sich an ihn, wie sie es nie getan hätte, als er noch gelebt hatte.
Hilflos sah ich mich um. Pferde wurden aus dem Stall in Richtung Hoftor geführt, verwundete Amazonen auf Liegen zur Klinik transportiert, der Wasserstrahl wieder auf die brennenden Reste der Lagerhalle gerichtet. Niemand nahm mehr Notiz von uns. Nur Louis hatte sich etwas abseits auf eine der Kisten gesetzt und sah mich traurig an.
Ein trockenes Schluchzen brachte meine Aufmerksamkeit zu Polly zurück.
Polly weint, stellte mein Herz verwundert fest. Sie weint nie.
Ihr Körper bebte unter immer heftigeren Schluchzern. Tränen fielen aus ihrem Gesicht in Matos, jede einzelne wischte sie mit hektischen, blutigen Fingern weg und hinterließ dabei rosa Streifen auf seiner Haut. Mein Herz tat mir selbst so weh, dass ich meine eigenen Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. Aber keinem war damit gedient, wenn ich jetzt auch noch die Fassung verlor.
„Polly.“ Ich streichelte über ihren gekrümmten Rücken und wusste nicht, was ich sagen sollte. Jetzt ist es zu spät
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