Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Geburtstermin. Und dann zur ersten Seite des Abschnitts, die die Überschrift Rozier trug. R für Rozier .
Ein Hauch von Hoffnung erleichterte kurz die Last meines Herzens – ich hatte ein Geburtsdatum, einen Familiennamen und einen Ort, der vermutlich die Gegend bezeichnete, in der der Clan ansässig war – doch ein plötzliches Klopfen an der Wand vergegenwärtigte mir meine missliche Lage mit einem Schlag.
Ich stopfte das Buch wieder in die Schublade, rannte ins Bad und stolperte fast über meinen Handtuchrock, so sehr beeilte ich mich, wieder in die Badewanne zu steigen.
„Polly?“ Ich stellte fest, dass ich nicht schreien musste, damit sie mich hören konnte. Die Wand schien nachträglich eingezogen worden zu sein und nicht zum ursprünglichen dicken Gemäuer des Kraftwerks zu gehören.
„Ich bin nicht an den Schlüssel herangekommen“, teilte sie mir mit. „Atalante ist die ganze Zeit im Keller unterwegs und befragt die Gefangenen. Sie lassen mich nicht hinunter.“
„Verdammt. Gibt es einen Ersatzschlüssel?“ Ich dachte an das Chaos im Schlafzimmer. Es konnte Wochen dauern, bis ich ihn fand, falls er überhaupt existierte.
„Kein Ahnung. Ell …“ Sie zögerte. Ihre Stimme klang plötzlich so anders, dass mir ganz schlecht wurde.
„Was?“, fragte ich schnell, aber sie schwieg. „Polly, was ist los?“
Sie sprach so leise, dass ich wieder mein Ohr an die Wand legen musste, um sie zu verstehen. „Louis steht in Verdacht, den Überfall mit angezettelt zu haben.“
„Wie bitte? Das ist doch Unsinn!“, rief ich aus und schlug mit beiden Handflächen gegen die Kacheln. Dabei ließ ich meine Handtuchkonstruktion los und sie sackte zu Boden, aber das war mir gleichgültig. Niemand würde sich an meiner Nacktheit stören. „Er hat mit uns gekämpft! Er hat uns geholfen!“
„Anscheinend haben sie irgendwelche Beweise. Sein Engagement bei der Schlacht sei nur Tarnung gewesen, heißt es. Außerdem habe er angeblich Waffen im Haus gehabt. Ein Schwert, ein Messer und einen Pfeil.“
„Quatsch. Das war mein Schwert, das ich gestern hatte liegen lassen. Das Messer haben wir damals den Vatwaka im Wald abgenommen. Und der Pfeil …“ Meine Stimme versagte.
„Er soll morgen mit den anderen 'Shimet exekutiert werden.“
Diese nüchterne Aussage versetzte mir einen Schlag in die Magengrube, der mich nach Atem ringen ließ. Meine Schuld. Ich hätte ihm nichts erzählen sollen. Ich hätte Atalante gegenüber schweigen sollen. Ich hätte auf Louis hören sollen. Nichts beweist besser als diese Kette von unglücklichen Ereignissen, dass es keinen Sinn hat. Keine Zukunft, echote seine Stimme in meinem Kopf. Keine Zukunft …
„Hat er ihnen denn nicht gesagt, was wirklich passiert ist?“
„Sie haben ihn gar nicht erst befragt. Es war nicht nötig. Atalante hat alle Beweise, die sie braucht. Und im Grunde braucht sie gar keine, um das durchzuziehen, die anderen vertrauen ihr. Doch selbst wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu äußern, hätte sie alles als Lügen abgestritten.“
„Das kann sie nicht machen …“, brachte ich außer mir hervor. „Wie kann sie so grausam sein?“
Meine Schwester antwortete nicht. Was hätte sie auch sagen sollen?
„Polly, mach was“, flehte ich sie an. Ich spürte, wie mir Tränen übers Gesicht rannen. „Bitte mach was, irgendwas! Bitte!!! Polly.“
„Wie denn?“, erwiderte sie heftig. „Sie will ihn loswerden, es ist völlig egal, was ihm zur Last gelegt wird. Selbst wenn ich es entkräften könnte, würde sie einen anderen Weg finden. Sie macht die Gesetze.“ Ich vernahm einen lauten Schlag gegen die Wand, gefolgt von einem blechernen Scheppern. Offenbar hatte sie etwas aus einem der Regale gefegt. „Ich kann nichts tun! Gar nichts. Ich darf nicht mal nach unten! Was soll ich denn machen?“ An ihrer brechenden Stimme erkannte ich, dass auch sie weinte. Ihr Schluchzen tönte durch die Mauer, mischte sich mit meinem und hallte hohl von den Kacheln wider.
Unendliches Mitleid wallte in mir auf und ich legte mein Gesicht an die Wand, als ob ich ihr dadurch näher sein und ihr Trost spenden könnte. Sie war ohnehin am Ende. Es war nicht fair, dass ich ihr nun alle meine Sorgen zusätzlich aufbürdete. Aber ich war so verzweifelt und hilflos und sah in ihr meine einzige Chance.
„Sag Victoria die Wahrheit. Nicht das, was Atalantes Vergangenheit anbelangt, aber das mit Louis. Sie ahnt es ohnehin. Vielleicht lassen sie sie nach unten und sie
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