Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
kann sich den Schlüssel organisieren.“
„Ell, was nützt dir der verdammte Schlüssel?“
„Ich muss hier raus. Mir wird etwas einfallen. Ich muss nur einfach erst mal raus hier.“
„Du willst wirklich, dass ich es ihr sage?“
„Schreib es meinetwegen auf ein Transparent und häng es aus dem Fenster. Sende es im Frühstücksfernsehen. Sag es der ganzen Welt. Es ist mir egal.“
„Okay …“, erwiderte sie zögernd.
„Und gib Dante Bescheid. Er muss es erfahren.“
„Mach ich.“ Sie hatte sich wieder etwas gefangen.
Als sie gegangen war, ließ ich mich zitternd an den kalten Kacheln entlang abwärts gleiten, bis ich quer in der Badewanne kauerte. Ich schlang die Arme um die Beine und legte meinen Kopf auf die Knie. Der Schmerz, den Louis weggeküsst hatte, kehrte mit voller Wucht zurück, der äußere, aber auch der innere. In meinen Kratzern und blauen Flecken pochte das Blut, die Muskeln meiner Arme und Beine fühlten sich an, als wären sie durch den Fleischwolf gedreht worden, mein Herz tat weh und mit jedem Schlag durchfuhr mich eine heftigere Welle von Hoffnungslosigkeit. Die Bilder der Schlacht kehrten zurück, doch nun waren es keine Marodeure mehr, die von Amazonenhand gemeuchelt wurden, sondern Louis. Mein Louis.
Artemis, ich flehe dich an! Ich tu alles, was du willst, aber hilf mir! Hilf mir. Hilf mir. Hilf mir. Ich glaubte nicht, zumindest nicht wirklich, dafür war ich zu spät mit dieser Religion in Berührung gekommen. Wenn die Göttin nicht existierte, konnte ein Gebet nicht schaden. Wenn sie existierte und so war, wie die Amazonen dachten, würde ich tatsächlich für immer verdammt sein, aber vielleicht konnten meine Gebete sie zumindest soweit erweichen, dass sie Louis rettete. Wenn sie die liebende Muttergöttin war, die ich mir vorstellte, würde sie mich verstehen und vielleicht dafür sorgen, dass alles gut würde. Hilf mir. Hilf mir. Hilf mir, wiederholte ich ununterbrochen, minuten-, vielleicht sogar stundenlang.
Plötzlich erhellte strahlendes Licht das Badezimmer. Mein Kopf fuhr in die Höhe. Ich blinzelte gegen die gleißende Helligkeit an, in deren Widerschein die Kacheln zur Unsichtbarkeit miteinander verschmolzen. Inmitten des hellen Flecks wurden Konturen sichtbar und ich erkannte eine weibliche Gestalt, die sich aus dem Licht herausschälte. Ihre überirdische Schönheit war atemberaubend.
So schön wirst du dich nie poppen können, tönte mein lästerlicher Verstand durch mein andächtiges Staunen. Ich rief ihn harsch zur Ruhe.
Es gibt sie… dachte ich und fühlte neue Hoffnung in mir aufkeimen. Es gibt sie wirklich.
Das wallende schwarze Haar, die Augen, in denen sich die Farben des Waldes spiegelten, der bodenlange Chiton aus weißer Seide, der mit einem ledernen Band unter der Brust gegürtet war und nicht zuletzt der silberne Bogen, den sie in der Hand hielt, ließen keinen Zweifel, dass ich mich Artemis höchstpersönlich gegenüber sah. Doch ihr Blick bohrte sich unbarmherzig in meine Seele und als sie auf mich zukam und die Hand hob, war ich davon überzeugt, dass sie es tat, um mich zu ohrfeigen, wie es Atalante getan hatte. Ich zuckte zurück, erwartete die Kühle der Badewanne an meinem Rücken zu spüren, kippte jedoch ins Leere. Meine Hände fingen meinen Fall ab und griffen in weiches Moos.
Sie hat mich entrückt, stellte ich fest, als ich mich von dichtem, sommergrünen Wald umgeben sah. Das gleißende Licht kam nun von oben und durchleuchtete das Blattwerk. Das Badezimmer war verschwunden.
Ich bin frei. Ich muss Louis finden.
Sie hielt mir ihre Hand entgegen und ich erkannte, dass sie sie nicht zum Schlag ausgeholt hatte, sondern um mir aufzuhelfen. Ich ließ mich von ihr auf die Beine ziehen.
„Bitte hilf mir“, beschwor ich die Göttin erneut.
„Aella.“ Sie sah mich prüfend an. „Du hast dich nicht an die Regeln gehalten.“
Schlechtes Gewissen durchfuhr mich, schlimmer als je zuvor. Doch es konnte mein Herz nicht bezwingen. Ich blickte ihr weiterhin in die Augen.
„Du liebst“, stellte sie fest.
„Ja“, gab ich zu. „Es tut mir leid, es war keine Absicht, es ist einfach so passiert. Ich wollte es verhindern, aber es hat nicht geklappt …“
Ihr kristallklares Lachen zerschnitt die erhabene Stille um uns. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Liebe ist gut. Liebe nur, kleine Aella. Aber lüg nicht mehr.“
Ich war verwirrt. War sie doch die Göttin, die ich mir gewünscht hatte? „Es ist unmöglich, beides in
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