Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
einer Welt wie dieser? dachte ich, aber ich wollte im Augenblick nicht auf Konfrontationskurs gehen. Der nächste Kampf kommt bestimmt und auch du wirst ihn nicht verhindern können …
„Ich glaube, ich verstehe es. Dich“, sagte er nach einer Pause. „Das warst nicht du und das war nicht ich. Aber wie halten wir die beiden anderen in Zukunft raus?“
Ich atmete erleichtert auf. Zukunft. Gut. „Das werde ich schon schaffen. Gib mir ein bisschen Zeit.“ Da ich nicht wusste, wie viele Fehlschläge ich Louis, meinem Herzen und insbesondere meinen Füßen noch zumuten konnte, wollte ich sicher sein, dass es nicht wieder schief ging, und vielleicht in Themiskyra ein paar Bücher über posttraumatische Störungen wälzen, eine Übung finden, mit Polly reden. Etwas in der Art.
„Du musst dich nicht gedrängt fühlen. Von mir“, erwiderte er.
„Keine Sorge. Ich fühle mich nur gedrängt. Von mir.“
Zu offensiv, mahnte mein Verstand und ich spürte, dass ich rot wurde. Egal.
„Es war schön, vorhin“, sagte ich vorsichtig. „Also bevor ich … durchgedreht bin.“
„Ja. Sehr“, erwiderte er ebenso vorsichtig.
„Mir wäre jetzt nach einem unschuldigen Mondscheinkuss.“
„Dazu muss ich dich aber raustragen.“
Ich sah aus dem Fenster. Den Mond selbst konnte ich nicht entdecken, aber ich sah, wie seine Strahlen die Bäume auf der Wiese in silbernes Licht tauchten.
„Nur zu“, sagte ich und streckte ihm meine Arme entgegen. „Daran könnte ich mich gewöhnen …“
„Nur heute und morgen“, sagte Louis, als er mich hochhob. „Dann musst du wieder alleine laufen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass deine Mutter von meinem neuen Betätigungsfeld begeistert wäre.“
„Ah, aber vielleicht darf ich dann endlich den Segway benutzen!“, überlegte ich laut.
Wir setzten uns nach draußen und ich bekam eine angemessene Anzahl Mondscheinküsse verabreicht. Geflissentlich vermieden wir die schweren Themen des Abends, der hinter uns lag, und die offenen Fragen. Irgendwann holte Louis meine Decke und breitete sie auf der Wiese aus. Wir legten uns darauf und schauten in den Himmel in der Hoffnung auf Sternschnuppen.
„Zurzeit gibt es ganz viele“, erklärte mir Louis. „Siehst du die Kassiopeia?“ Er deutete nach oben. Ich konnte Corazons Pferd nirgendwo entdecken, hatte aber schon die Vermutung, dass es sich um die Namensvetterin der Aspahi in Form eines Sternbilds handeln musste. „Das W dort?“
Ich starrte angestrengt nach oben. So viele leuchtende Punkte waren da oben, dass ich es fast nicht ausmachen konnte. „Ja!“
„Wenn du von dem letzten Stern des W s eine Linie ziehst, mitten durch den dritten Strich des W s hindurch, dann landest du direkt beim Sternbild des Perseus. Von da kommen die Meteore.“
Wir mussten nicht lange darauf warten. Nach wenigen Minuten durchkreuzte eine Sternschnuppe aus dieser Richtung den Himmel. Und dann noch eine. Und noch eine. So viele brauchte ich eigentlich gar nicht. Ich hatte nur einen Wunsch. Und den wünschte ich mir bei jeder einzelnen Sternschnuppe.
Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh. Ich musste die Augen nicht öffnen, um das festzustellen, denn ich erkannte es an den Rufen der Vögel. Da ich nur ein paar Stunden geschlafen hatte, wollte ich mich im ersten müden Augenblick noch einmal umdrehen und versuchen wieder einzuschlafen, aber dann hörte ich Atem, der nicht meiner war, spürte, dass sich mein Hintern für die Jahreszeit zu kalt anfühlte, und wurde mir des Gewichts bewusst, das schwer auf meiner Hüfte lastete. Ich schlug die Augen auf und ein tiefes Glücksgefühl durchrieselte mich.
Louis lag neben mir auf unserem kleinen Lager, was auch erklärte, warum mein Gesäß weder auf die Unterdecke, noch unter die Überdecke passte, die nur für eine Person gedacht waren. Mein erster Impuls war, ihn zu wecken, damit wir möglichst viel von dem bisschen Zeit ausnutzen konnten, das uns blieb, bevor er wieder nach Themiskyra reiten musste. Aber dann wurde mir bewusst, dass ich genau diesen Moment nicht mehr so schnell erleben würde.
Wenn überhaupt.
Daran darf ich nicht denken.
Ich musste den Augenblick genießen, so wie er war. Außerdem hatte Louis eine harte Woche hinter und vor sich und den Schlaf verdient. Ich betrachtete ihn, versuchte, mir jedes Detail einzuprägen. Er lag auf der Seite, hatte den rechten Arm auf meiner Hüfte abgelegt und den Kopf auf seinen linken gebettet. Auf seinen Lippen lag ein leichtes
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