Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
ich zum tausendsten Mal an der Wand herum, die mir nun am nächsten war.
Hier ist irgendwo der Zugang, sagte mein Verstand. Dahinter muss ein Gang entlangführen.
Da ist nichts!
Setz dich hin und behalt die Wand im … Ohr. Irgendwann werden sie dir wieder Wasser bringen und du kannst hören, was vor sich geht und vor allem wo.
Also wartete ich, doch irgendwann wurde ich wieder so müde, dass mir die Augen zufielen – und als ich erwachte, fand ich den Becher aufrecht und mit frischem Wasser gefüllt vor.
Die sehen mich! Die wussten, dass ich schlafe! Aber ich sehe sie nicht … Ich bin doch blind! Der Gedanke machte mich wahnsinnig und ich hieb so lange mit meinem Dolch auf einen Stein ein, bis sich für einen Sekundenbruchteil ein kleiner, wunderbarer Funke entzündete, der sich in meine Netzhaut brannte. Ich konnte ihn sehen. Vor Erleichterung stiegen mir Tränen in die Augen.
Was nützt dir Sehkraft? Du kommst hier sowieso nicht mehr heraus.
Doch, ich schaffe es. Mir war eine Idee gekommen.
Ich lief einige Zeit hin und her, um mich warm zu halten, zehn Schritte in die eine Richtung, dann zehn Schritte zurück, zehn Schritte hin, zehn Schritte zurück … Langsam kannte ich jede Bodenunebenheit. Als meiner Meinung nach genug Zeit vergangen war, arbeitete ich lustlos an den Fugen dreier weiterer Mauersteine und setzte mich schließlich, den Messergriff verborgen in meiner Hand, die Klinge im Ärmel des anderen Arms, neben den Trinkbecher. Den Kopf lehnte ich an die Wand und schloss die Augen, tat so, als würde ich schlafen.
Ewigkeiten vergingen, bis ich ein leises, schabendes Geräusch vernahm. Blitzschnell stieß ich den Dolch in diese Richtung und dem Schmerzenslaut nach zu urteilen, der jenseits der Wand widerhallte, traf die Klinge etwas. Jemanden. Eilig fasste ich an die Wand und fand ein rechteckiges Loch in der Größe eines Mauersteins vor, das zuvor nicht dagewesen war. Zu klein, um hindurchzuschlüpfen. Ich griff mit der Hand hindurch und tastete auf der anderen Seite hektisch nach einem Hebel oder einem Griff, der einen größeren Durchgang freigeben würde, doch bevor ich etwas finden konnte, fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Arm. Dennoch zog ich ihn nicht zurück, suchte weiter, riss mir an den rauen Steinen Knöchel auf und Fingernägel ein. Ich gab nicht auf.
Sie gibt nicht auf, auch wenn sie es selbst nicht leicht hat, sagte Louis.
Und was Celeste kann, kann ich schon lange, war das Letzte, was ich dachte, bevor ich bewusstlos wurde.
Sie hatten mich nicht verletzt, stellte ich fest, als ich benommen aus meinem unfreiwilligen Schlaf erwachte. Nur einen kleinen Einstich erspürte ich an meinem Unterarm, wo sie das Betäubungsmittel injiziert hatten. Den Dolch hatte ich auch noch.
Warum?
Von da an bekam ich nichts mehr zu trinken, wenn ich mich in der Nähe des temporären Mauerlochs schlafen legte, das begriff ich ziemlich schnell. Zu essen gaben sie mir gar nichts, aber das Magenknurren war mein geringstes Problem. Außerdem fand ich es schon schlimm genug, wenn ich urinieren musste. Als Toilette hatte ich eine der Ecken auserkoren und das Wissen, dass sie mich dabei sehen konnten, vertrieb für geraume Zeit jeglichen Harndrang.
Ich wartete. Minuten, Stunden, Tage, Wochen … die Zeit war nicht fassbar. Ohne zeitlichen Anhaltspunkt schwamm ich durchs Dunkel, aber ich merkte, dass ich langsam, aber sicher darin ertrank.
Ich bin schon mal ertrunken.
Nur fast.
Louis hat mich gerettet.
Wo ist er jetzt?
Weg. Nein, ich bin weg.
Du hättest nicht weglaufen sollen.
Du könntest jetzt bei Louis sein …
Ein Weilchen bemühte ich mich in eine alternative Realität, in der ich das alte Bahnhofshaus nicht verlassen hatte, sondern einfach zurück ins Zimmer geschlendert war, aber dann konnte ich die Vorstellungskraft nicht mehr aufbringen und wurde wütend.
Verdammte rosa Bürste.
Verdammter Louis. Wenn er nicht wäre, wäre ich jetzt glücklich und zufrieden bei Polly und Atalante. Ich begann zu weinen. Alles, alles, alles hätte ich dafür gegeben, jetzt bei ihnen zu sein. Ich vermisste sie, sogar meine Mutter. Gerade meine Mutter. Ich verzieh ihr alles, was sie mir je angetan hatte, begonnen mit dem Tag, an dem sie meinen Vater und mich verlassen hatte.
Herz und Verstand, Amazone und Höhlenweibchen, nichts war mehr auseinanderzuhalten, alle wirbelten in mir und um mich herum und redeten auf mich ein.
Ich schlief und war wach und schlief und war wach, merkte den
Weitere Kostenlose Bücher