Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
blies mir die Haare aus dem Gesicht und den Abschiedsschmerz aus dem Herzen – und ich galoppierte los.
Die Welt wartet auf mich.
Louis wartet auf mich.
Epilog
Su stolpert durch die Dunkelheit. Das Licht kommt hier, am Ende der Karawane, kaum noch an und ständig übersieht sie den einen oder anderen Felsen. Am Anfang war es leichter, der Boden ebener, der Magen voller vom großen Mahl, das Halina ihnen zum Abschied gekocht hatte, die Stimmung gelockert von Vorfreude und Abenteuerlust. Und es gab noch Strom in den Solarlampen und genug Fackeln. Okay, sie könnte auch ganz vorne gehen, sollte es ursprünglich sogar, aber sie will das Pack nicht im Rücken haben. Nein, das Pack an sich ist in Ordnung, eigentlich will sie nur NamTok Diego nicht im Rücken haben, denn der legt es immer drauf an, sie zu ärgern, schummelt beim Spielen und klaut wie ein Rabe. Wenn er, wie jetzt, vor ihr läuft, kann sie ihn im Auge behalten und das ist gut so.
„Langsam“, sagt der lange, dunkelhaarige Mann, der hinter ihr gegangen ist und sie nun am Arm festhält, bevor sie ein weiterer Steinbrocken zu Fall bringen kann. Er heißt Ces und scheint halbwegs vertrauenswürdig zu sein, zumindest ist Su zu diesem Schluss gekommen, da er ihr während all der Zeit hier unten noch nichts aus dem Rucksack geklaut hat.
„Wir sind nicht auf der Flucht.“ Er lächelt sie aufmunternd an. Sie ist erst acht, aber sie ist nicht doof und sie hat schon genug erlebt, um echten Optimismus von gespieltem unterscheiden zu können. Sie weiß, dass auch ihm die Finsternis zusetzt. Und er weiß, dass sie es weiß. Also sieht er weg und ruft „Nia!“ durch den Tunnel, der inzwischen so eng ist, dass sich kein Echo mehr an seinen Wänden bricht. „Mach mal langsamer.“
Die schlanke Frau, die ganz vorne geht, bleibt stehen und wartet, bis alle aufgeholt haben. Das Licht der Fackel, die sie in der Hand hält, offenbart die blassen, erschöpften Gesichter der dreizehn anderen Kinder, alle älter als Su – und den ungeduldigen Zug um Nias Mund. „Es ist nicht mehr weit.“ Sie ist meist schlecht gelaunt und ruppig, aber Su weigert sich beharrlich, Angst vor ihr zu haben.
„Das sagst du immer“, beschwert sie sich.
„Stimmt ja auch“, verteidigt sich Nia. „Wir kommen nur einfach nicht voran, wenn wir dauernd Pausen machen.“
„Aber ich kann nicht mehr.“ ertönt eine leise Stimme aus der Menge.
Andere stimmen mit ein.
„Ich bin müde.“
„Ich habe Hunger.“
„Meine Füße tun weh.“
„Mir ist kalt.“ Das ist die zitternde Stimme von NamTok Diego, der diebischen Ratte.
Memme, denkt Su verächtlich, wagt jedoch nicht, es laut auszusprechen. Er ist zwar nur unwesentlich älter als sie, aber einen Kopf größer und niemand, den man zum Feind haben möchte. Zumindest nicht mehr als nötig.
Was Nia dann jedoch ungehalten knurrt, kann sie nicht auf sich sitzen lassen: „Schnapsidee, mit den kleinen Kröten den weiten Weg zu machen. Ell hat wirklich einen an der Klatsche.“ Nia wendet sich brüsk ab, um den Weg fortzusetzen, doch Su widerspricht energisch:
„Wir sind keine Kröten, sonst könnten wir die Fliegen da essen und müssten kein Magenknurren haben.“ Empört zeigt sie auf die Flamme der Fackel, um die ein paar Insekten kreisen.
„Fliegen?“, fragt Ces und sieht mit einem Mal echt zuversichtlich aus.
Und plötzlich spüren sie den leichten Windzug, Luft, die soviel leichter zu atmen ist, als das modrige, abgestandene Zeug, mit dem sie in den letzten Tagen ihre Lungen gefüllt haben. Einen Moment lang verharren sie, dann nehmen achtundzwanzig kleine Füße endlich das Tempo auf, das Nia sich während des gesamten Trips gewünscht hat.
Mit jedem eiligen Schritt werden die Tunnelwände nun heller. Ein gleißender Fleck in der Ferne, den man nicht richtig fokussieren kann, trotzdem taumeln sie darauf zu … und hindurch … und hinaus. Alles ist auf einmal hell und grün und warm. Vogelgezwitscher und Kinderlachen schwirren durch die weiche Luft, Su lacht mit, lässt ihren Rucksack auf den Boden gleiten und dreht sich im Kreis.
Dann sieht sie Ell. Die seltsame Frau, die dauernd wegen irgendwelcher Decken ankam und ihnen die Konsole und die tausend Spiele gebracht hat. Su traut ihr nicht hundertprozentig, aber vergessen hat sie sie nach dieser Tat natürlich nicht. Jetzt steht die Konsolenfrau ein paar Schritte entfernt und umarmt Nia.
„Danke“, sagt sie und sieht erleichtert dabei aus. „War es schlimm?“
Su
Weitere Kostenlose Bücher